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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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beschämt.
    »Nun, das stimmt nicht ganz«, meinte Amloki. »Ich gehörte nicht zu denen, die die Welt in jenem Jahr gerettet haben. Ich bin nur hier, weil die Oberste Zivilistin und der Silberne Dolch – ihre Ordnungsmacht – heute Abend nicht hier sein konnten. Die Art ihrer Tätigkeit bedingt leider, dass sie zu beschäftigt sind, um Feste zu feiern. Wüssten sie jedoch um die Herrlichkeit des Essens, hätten sie die Staatsoberhäupter, die sie momentan ängstigen oder umbringen, gewiss in Ruhe gelassen, um bei uns zu sein.«
    »Mir schwant, hier steht eine Geschichte an«, sagte Kirin. »Ich möchte sie hören.«
    »Manche Dinge sollten lieber geheim bleiben«, warf Linksog knurrig ein.
    »Na los, erzähl sie ihm«, drängte Fujen. »Du kannst ihn doch nicht zu dieser Feier einladen und ihm verschweigen, um was es eigentlich geht. Außerdem bin ich zu voll, um mich zu bewegen, und lausche selbst gern einer guten Geschichte. Besonders dann, wenn ich ihre Heldin bin.«
    »Vielleicht sollte Amloki sie erzählen«, sagte Mittelog. »Er war doch dabei, als sie passierte. Außerdem ist er ein viel besserer Geschichtenerzähler als ich.«
    »Na schön«, begann der Khudraner schnell, bevor jemand einen anderen Vorschlag machen konnte. »Es geschah vor ungefähr fünf Jahren, Kirin. An einem Silvesterabend, wie heute. Nur eins war anders: Damals sah es so aus, als würde es kein neues Jahr geben. Das alte hatte nämlich nicht die Absicht abzutreten.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil der Affe ausgebrochen war und die Gärtner ohne ihn das neue Jahr nicht beginnen konnten.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Natürlich verstehst du es nicht«, sagte der Khudran lächelnd. »Deswegen solltest du nun zuhören und mich nicht unterbrechen.«
     
    Du musst wissen, Kirin (sagte Amloki), dass das neue Jahr in anderen Kulturen an anderen Tagen anfängt. Die Pahr-Virtaner in West-Elaken glauben, dass ein neues Jahr immer dann anfängt, wenn man einen unanständig geformten Kaktus entdeckt. Bei den weniger Exzentrischen signalisieren Sonne, Mond, Sterne, die Sonnenwende, der Frühlingsanfang und viele andere Zeichen den Völkern, dass ein neues Jahr angebrochen ist und man nun die gleichen Fehler noch einmal machen kann – freilich mit weniger Ausreden als beim letzten Mal. Kaum jemand weiß jedoch, dass die Welt selbst das Ende und den Anfang eines neuen Jahres kennzeichnet; dass der Planet ein Herz besitzt, das in eigentümlicher Weise schlägt.
    In Xi'en benennt man jedes Jahr nach einem Tier; nach einem der zwölf Tiere ihres Tierkreises. Ich weiß nicht, ob sich dieser Brauch aus dem Tal, in dem die Geschichte beginnt, über die Welt verbreitet, doch wenn, kann er nur ein blasser Abklatsch der Wahrheit sein. Denn tatsächlich gibt es tausendundachtzig Tiere, nach denen man die Jahre benennen sollte; Tiere, die auf einer Liste stehen, die sich im Besitz der Obersten Zivilistin befindet. Diese Liste ist ein Geschenk Goldsplitters. In Kol hält man die Benennung der Jahre nach Tieren für eine willkürliche Sitte, einen Witz ohne Tiefgang, den sich jemand ausgedacht hat. Man hält sie dafür, weil nur wenige Menschen lange genug existieren, um zu erleben, wie der Zyklus sich wiederholt.
    In einem vollkommenen Tal, in den niedrigen Ausläufern der Berge der Harmonie zwischen Avranti und Xi'en, existiert ein Park. Dort leben fünf oder sechs Mönche. Sie sind die Jahreshüter. Goldsplitter ist einer von ihnen. Womit befassen sich Jahreshüter? Sie hüten die Jahre und wachen über sie von der Geburt bis zum Tod. Sie verrichten geheime Zeremonien, die bewirken, dass jedes neue Jahr rechtzeitig geboren wird. Würden die Hüter versagen, bedeutete dies mit ziemlicher Sicherheit das Ende der Welt – weswegen sie nicht versagen wollen. In jedem Jahr kümmern sich die Hüter um das Tier des Jahres. Aufgrund der Dynamik ihrer Riten dauert das Leben dieses Tiers von Mitternacht zu Mitternacht genau ein Jahr. Es verbringt sein gesamtes Leben von der Kindheit bis zum Greisenalter, vom Frühjahr bis zum Winter, in diesem Zeitraum. Dies ist gut für jene Tiere, deren natürliche Lebensspanne weniger als ein Jahr beträgt, doch schrecklich für Schildkröten und andere langlebige Geschöpfe. In manchen Jahren – wie etwa jüngst dem Jahr des Moskitos oder davor dem der Unsichtbaren Kröte – liegt unser Mitgefühl bei den Hütern, nicht bei den ihrer Obhut anvertrauten Viechern. Wie dem auch sei: Vor fünf Jahren hielten die Hüter um

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