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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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überall wurde getanzt und gesungen.
    Boïndil hatte seine Enttäuschung überwunden und fand sich im Mittelpunkt des Trubels. »Das ist wunderbar! Ich werde fürchterlich betrunken sein«, rief er Boëndal über die Köpfe der Umstehenden zu. »Sobald ich einen Humpen geleert habe, bringen sie mir einen gefüllten!«
    Sein Bruder prostete ihm zu. »Auf die Ahnen und unseren Schöpfer Vraccas«, gab er laut zurück, und die Zwerginnen und Zwerge stimmten in den Spruch mit ein.
    Gundrabur saß auf dem steinernen Thron, neben ihm ruhte der zeremonielle Schmiedehammer. In das Kopfstück waren Runen graviert, Edelsteine und Intarsien aus den verschiedensten Edelmetallen leuchteten auf und spiegelten das Licht der Lampen und Leuchter wider.
    Der König betrachtete seine feiernden Untertanen und lauschte dem Gelächter, der Musik und dem Gesang, der ihm das Herz rührte. Gelegentlich hob er den Pokal, auch wenn es ihn immense Anstrengung kostete. Seine Muskeln waren müde.
    Und sosehr er sich an dem Treiben erfreute, schaffte es das Fest der Zwerge nicht, seine Sorgen gänzlich zu vertreiben. Er hatte etwas Unvorstellbares getan – gelogen.
    Die Orks mit dem Drachensymbol auf der Rüstung waren nicht seine Gefangenen gewesen. Und es gab auch keinen alten, eigens für die Zyklenprüfung hergerichteten Stollen seines Volkes, der auf die vermeintliche Aussichtsplattform geführt hatte.
    Gundrabur hatte Balendilín nach der Unterredung mit den Zwillingen erklärt, dass sie errichtet worden war, um den Weg zur Hohen Pforte noch besser überwachen zu können, und in Vergessenheit geraten war.
    Auch das stimmte nicht.
    Und der König wusste sehr wohl, was das Emblem zu bedeuten hatte.
    Es war das Zeichen von Lohasbrand, einem Drachen, der im Blauen Gebirge gehaust hatte. Gundrabur kannte die Beschreibungen der dunkelgrün geschuppten Kreatur, die einst in einem See inmitten der Berge gelebt hatte, aus den Erzählungen seines Großvaters. Lohasbrand war ein Drache gewesen, der sich sowohl aufs Fliegen als auch aufs Tauchen und Schwimmen verstanden hatte. Das Ungetüm war vor den Zwergen geflohen, und heute erinnerte sich keiner mehr an ihn.
    Ausgenommen Gundrabur.
    Der König hatte beschlossen, nichts von seinem Verdacht zu äußern, um das Fest nicht zu trüben.
    Außerdem war nicht bewiesen, dass Lohasbrand aus dem Reich der Toten zurückkehren wollte oder gar bereits wieder in dieser Welt weilte. Orks waren schließlich dumme Kreaturen, und wenn sie eine Rune fanden, die ihnen gefiel, malten sie sich die Zeichen überall hin. Er hatte schon Orks gesehen, welche zwergische Runen auf dem Schild trugen. Sie hatten ihr eigenes Todesversprechen mit sich herumgeschleppt, was bei den Zwergen zu viel Heiterkeit geführt hatte.
    Gundrabur hoffte inständig, dass die Orks das Emblem bei einem uralten Leichnam gefunden und es sich – ohne nachzudenken – als Zierrat angeeignet hatten.
    Dennoch, die Hohe Pforte müsste stärker besetzt und der Gang zugeschüttet werden. Arbeiter würden die Plattform abreißen und den Pfad, der von dort aus zur Festung führte, ebenso zerschlagen. Es sollte keinen Weg mehr ins Reich der Zweiten geben.
    Und dann war da noch das Rätsel der verlöschenden Fackeln und Lampen in den Stollen – bedeutete dies ebenso eine neue, noch nicht absehbare Gefahr für das Zwergenreich? Oder waren es tatsächlich nur Berggeister gewesen, die sich einen Schabernack gegönnt hatten?
    Weiter kam er mit seinen Gedanken nicht, denn es war Zeit für seine Lobrede. Gundrabur setzte sich auf, und als Gesänge und Gespräche verklungen waren, räusperte er sich. Alle wussten, es würde eine kurze Rede werden. Dafür liebten sie ihren König.
    »Verehrte Freunde. In manchen Menschenreichen gibt es die Tradition, an einem besonderen Umlauf eines Zyklus zu Ehren eines ihrer Heiligen ein Fest zu feiern. Es ist ihr höchstes Fest und wird ausgelassen und reich begangen, wie wir alle wissen. Auch wenn wir nicht an ihren Heiligen glauben, so feiern wir ebenfalls unser höchstes Fest: die Heldenhaftigkeit der Tapfersten unseres Volkes. Wenn wir also heute das Fest der Zwerge zu Ehren Boïndils und Boëndals begehen, wollen wir es ebenso ausgelassen und glücklich tun. Und unsere Sorgen und Ängste wenigstens eine Zeit lang vergessen.«
    Zustimmung und Applaus rauschten durch den Saal. Boïndil und Boëndal bemerkten als Einzige den verzagten Ausdruck auf seinem Gesicht, als der König sich auf den Thron sinken ließ. Doch dann wurden

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