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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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Goldsplitter Baumwipfel durchsuchte. Der riesige Gorilla, der auf seinem Hügel brüllte und auf seinen Brustkorb trommelte – und die in seiner mächtigen Pranke kreischende Prinzessin. Und der geheimnisvolle Silberne Dolch, der unbarmherzig von einem Abenteuer zum nächsten eilende Haudegen, in dessen Kielwasser Legenden und Leichen zurückblieben. Dann erst begriff Kirin, dass er mit wirklichen Abenteurern am Tisch saß; mit Menschen, für die Kampf, Verschwörung und der lässige Umgang mit großen und wichtigen Ereignissen etwas Alltägliches war.
    Kirin gefiel sein meist stilles Dasein. Ihn verlangte zwar nicht danach, ein Held zu sein, doch er hatte sich immer gefragt … Wie war es wohl, wenn man wirklich wichtig war, wenn man wirklich auf großem Fuße lebte?
    Zum Glück, dachte er, muss ich es nicht unbedingt in Erfahrung bringen.
    Es gab aber noch einige Fragen, die ihm auf der Seele brannten. »Seither feiert ihr zum Gedenken an diesen Sieg in den frühen Morgenstunden jedes Neujahrsmorgens. Doch warum gerade hier – im Duftenden Bauch ?«
    »Nun ja, die Oberste Zivilistin war nicht allzu glücklich darüber, dass die Jahre in einem ziemlich ungeschützten Bergtal von Xi'en von Mönchen gehegt werden, die sich möglicherweise als Einzige nicht in der Kriegskunst auskennen«, erklärte Rechtsog. »Sie hat gesagt, es wird Ärger geben, und es stimmt: Man muss sich nur vorstellen, dass Danh-Gem aufersteht und beschließt, ein wenig mit dem Zeitgefüge herumzuspielen, um zuzusehen, wie die Welt untergeht … Deswegen hat sie beschlossen, die Jahreshüter und ihren Park nach Kol zu verlegen. Ich weiß, dass der Plan undurchführbar klingt, aber sie hat schließlich das Sagen. Und warum im Duftenden Bauch ? Tja, einfach deswegen, weil unsere drei Helden unsere Küche mögen. Und Umbilica, eine unserer Köchinnen, ist zufällig die beste Hebamme der Welt.«
    »Und so …?«
    »Das wirst du bald erfahren. Außerdem haben wir uns – weil das neue Jahr uns wahrscheinlich jede Menge Ärger bringt – vorgenommen, das Jahr des Schweins im großen Stil zu verabschieden. Die Feier musste in den frühen Morgenstunden abgehalten werden, weil die Zubereitung von Verstecktem Schweinefleisch einige Stunden dauert und wir das dazu erforderliche Schwein erst um Mitternacht bekamen.«
    »Moment mal«, sagte Kirin. »Wir haben gerade das alte Jahr verzehrt? Das ist das Geheimnis des Versteckten Schweinefleisches?«
    Die Anwesenden lächelten. »Es war ein gutes Jahr, nicht wahr?«, sagte Rechtsog. »Amloki muss morgen nach Avranti, deswegen sollten wir die Nacht nun beenden. Doch eins müssen wir zuvor noch tun.«
    »Umbilica!«, rief er.
    Eine freundliche, oberschwesterhaft wirkende Frau trat ein. Sie trug einen Korb bei sich. Darin lag in einem improvisierten Nest ein krächzendes neugeborenes Vögelchen. Seine Augen waren geschlossen und rosa; sein Leib von graurosa geäderter Haut und weichen schwarzweißen Daunen bedeckt. Es stieß leise heisere und zornig klingende Laute aus.
    »Ich möchte euch Adebar vorstellen«, sagte Umbilica. »Und willkommen im Jahr des Storchs.«
    Die Anwesenden erhoben ihre Gläser und tranken auf den Neuankömmling.
    »Frohes neues Jahr«, sagte Amloki.
     

Monika Felten
                                                  Zwölfnächte
     
    »Lanaar?«
    »Hm?«
    »Lanaar!«
    »Hmmmm!« Mit einer unwilligen Bewegung verschwand der ergraute Haarschopf des Mannes, mit dem Myriah nun schon seit Jahren das Schlafgemach teilte, unter der gewebten Bettdecke.
    »Lanaar, wach auf!« Myriah rüttelte ihren Gemahl an der Schulter. »Hörst du das nicht?«
    »Ich höre nur dich.«
    Myriah setzte sich auf und lauschte. Da war es wieder. Ein Rauschen wie von einer Windböe, Wolfsgeheul und ein Donnern wie von Pferdehufen erfüllten die Luft.
    »Jetzt musst du das aber auch gehört haben.«
    »Nein.«
    »Lanaar!« Mit einem Ruck schlug Myriah die Decke zurück. »Das ist kein Scherz.«
    »Bei den Göttern, warum lässt du mich nicht schlafen?« Ärgerlich raffte Lanaar den wärmenden Bezug an sich. »Es ist mitten in der Nacht! Warum machst du so einen Aufstand?«
    »Da ist etwas! Da draußen.« Myriah starrte zum Fenster. Silbernes Mondlicht ließ die knorrige Eiche vor der Hütte wie einen Riesen erscheinen, der seine schneebedeckten Arme dem Himmel entgegenstreckte.
    »Das sind sicher die Wölfe«, murmelte Lanaar schlaftrunken. »Der Hunger treibt sie aus

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