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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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dass man Essen nicht verkommen lässt. Gerade in diesen Zeiten. Also isst sie. Es schmeckt gut. Ungewöhnlich, aber gut. Sie isst viel. Sie wird satt. Sie weiß gar nicht, wann sie das letzte Mal richtig satt war. Sie hat zuvor gelogen, sie hat gar nicht gefrühstückt. Eine kleine Notlüge nur. Gott verzeiht ihr sicherlich. Sie war einfach nur zu müde und zu traurig gewesen, um sich Frühstück zu machen.
    »Der alte Knochen verzeiht es immer. Aber er mag es nicht, wenn man lügt. Doch mal ehrlich, wo kämen wir hin, wenn jeder die Wahrheit sagen würde? Das gäbe Mord und Totschlag. Wieder so ein Ding, das er nicht zu Ende gedacht hat.«
    »Was?«, fragt sie überrascht.
    »Gott. Der ist stur in dieser Beziehung. Immer alles gerade und ordentlich. Schwarz und weiß sauber getrennt. Immer treu und redlich.«
    »Wie reden Sie da nur?«, fragt sie erstaunt. »So soll doch alles sein. Die Menschen brauchen Regeln, an die sie sich halten können. Um sich vor dem Teufel zu schützen.«
    »Warum?«, fragt ihr Gast. »Warum schützen?«
    »Weil der Teufel uns sonst verführt!«
    »Ach ja, tut er das?«, fragt er und lacht. »Ich muss zugeben, Gott verfügt über eine gute Propagandaabteilung. Sag mal, hast du die Bibel überhaupt gelesen?«
    »Natürlich!« Sie hat Feiern und Sommertage und Freundschaften verpasst, um die Bibel wieder und wieder zu lesen.
    »Und die Geschichte vom Garten Eden?«
    »Natürlich.«
    »Die mit der Schlange und dem Apfel und Eva?«
    »Ja. Genau das meine ich, die erste Verführung!«, ruft sie. »Damit fing alles an!«
    »Genau richtig«, lacht er. »Gott hat den Garten Eden erschaffen, ja?«
    »Hhm hhm«, nickt sie vorsichtig.
    »Alles darin?«
    »Ja. Natürlich.«
    »Also auch die Schlange …«
    »Natür …«
    Sie hält verblüfft inne.
    »Und du glaubst wirklich, es wäre gegen Gottes Willen gewesen, dass Eva in den Apfel biss? Warum diesen Apfel erschaffen, und obendrein die Schlange, wenn er es doch einfach hätte lassen können?«
    »Es war der Teufel, der sich eingeschlichen hatte!«, begehrt sie auf.
    »Klar. Der Bösewicht. Dabei war der Typ einst der Stellvertreter vom Boss! Wie konnte er das nur tun!« Sie hört, wie er sich im Stuhl zurücklehnt, das Holz knarzt unter seinem Gewicht. »Schlimme Sache, das mit der Erkenntnis. Aber das ist noch gar nichts gegen die freie Entscheidung! Gar freien Willen! Gott schuf die Menschen nach seinem Ebenbild, und der Teufel verführt sie einfach … ganz und gar ungehörig! So eine Schweinerei! Gott ist allmächtig, aber der Teufel schafft es, den Alten reinzulegen? Dass ich nicht lache! Der Alte hat das alles so geplant. Stell dir vor, Eva hätte nicht hineingebissen? In den Apfel, meine ich, nicht in den Alten. Wo wärt ihr dann? Immer noch im Garten Eden und kein Stück weiser. Aber fürchterlich gelangweilt. Dich gäbe es übrigens auch nicht, Fortpflanzung war ja nicht erlaubt! Komisch nur, dass es funktioniert und auch noch Freude macht, obwohl er das alles gar nicht wollte!«
    »Das ist Blasphemie«, flüstert sie. »So ist Gott nicht.«
    »Nicht? Wieso bist du dann blind? Zeigt es nicht, dass Gott schlecht aufgepasst hat? Oder es gar zugelassen hat? Ist das nicht ebenfalls böse?«
    »Es war eine Rakete der Deutschen. Und Hitler ist wohl unzweifelhaft ein Werkzeug des Bösen! Gott war das nicht!«
    »Hitler ist des Teufels?«
    Sie nickt. »Ja, das ist er. Er ist böse durch und durch!«
    »Hhm. Ich möchte fast wetten, dass Hitler sich nicht für böse hält. Aber er ist ein Mensch, er darf sich halten, für was er will. Wie auch du. Es ist deine freie Entscheidung. Der Teufel ist nicht dran schuld … Wenn einer schuld ist, ist es dieser Hitler selbst. Und diejenigen, die ihm erlaubt haben, das zu tun, was er tut. Gott hätte etwas gegen ihn unternehmen sollen, nicht wahr?«
    »Richtig«, stottert sie. »Aber er wird seine Gründe haben, es nicht zu tun.«
    »Klar hat er die. Einer könnte sein, dass die Menschen ja bereits etwas gegen Hitler unternehmen. Ich denke, sie werden es auch schaffen, ihn aus dem Weg zu räumen. Hübsches Radio übrigens.«
    »Bitte?«, fragt sie, sie hat die Kurve nicht ganz genommen.
    »Das Radio. Ein Röhrengerät. Kann ich es haben? Mit den Bauteilen bekomme ich meine Kiste wieder flott und könnte weiterfliegen. Hab noch einiges zu tun heute.«
    »Auf keinen Fall!«
    »Warum nicht?«, fragt er.
    »Weil ich es brauche!«
    »Nun, ich brauche es ebenfalls.«
    »Aber es ist meins.«
    »Deshalb nehme ich es

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