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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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schwerfällt. Und es ist Weihnachten. Die Menschen sollten sich untereinander lieben.«
    »Sollten sie, ja.« Sie hört das Lächeln in seiner Stimme, sie ist plötzlich sanft und weich geworden. Sie hört, wie der Stuhl geschoben wird, dann Schritte, ein Knacken, als das Radio ausgeschaltet wird, das Geräusch, als er den Stecker herauszieht.
    Stille. Keine Musik mehr.
    Sie fröstelt, bereut es jetzt schon, aber sie sagt nichts.
    »Danke. Ich breche dann mal auf. Frohe Weihnachten.«
    »Sie gehen jetzt schon? So plötzlich? Sie haben, was Sie wollen, und gehen?«
    »Tja, so ist das eben. Der ungehobelte Bursche macht sich vom Acker. Mit seinem Weihnachtgeschenk.« Aber die Stimme ist immer noch weich, fast zärtlich. »Ich habe auch etwas für dich. Meinen Dank.«
    Sie spürt seine Lippen auf ihrer Stirn.
    »Auf Wiedersehen«, schließt er. »Lebe einfach, Maria. Entscheide und lebe. Denn nur du bist dein Richter, und nur du kannst dir vergeben. Das ist Gottes Gnade, die Gabe zu sehen und zu vergeben. Jesus hat noch eine Menge mehr gesagt, aber auch das. Und damit hatte er verdammt recht. Entscheide gut und lebe. Frohe Weihnachten.«
    Die Tür fällt ins Schloss.
    Und plötzlich wird es hell für Maria, ihre Augen brennen und schmerzen, tränen, aber sie sieht die Tür … Sie kann sehen! Sie rennt hinaus, und da ist ihr Gast, er winkt ihr zu, öffnet eine Tür in der Luft … steigt hindurch und verschwindet. Schnee wirbelt auf. Ein leises Pfeifen. Dann ein Flimmern in der Luft, nur noch der Schnee ist zu sehen.
    Langsam hebt sie die Hand vor ihre Augen, es ist ihre Hand, sie kann sie sehen, ganz deutlich. Genauso deutlich wie sie ihn sah. Ein großer Mann, in rotes Leder gekleidet, mit langen Haaren, kupferfarbener Haut und Hörnern auf der Stirn. Und Hufen anstelle von Füßen, die Spuren sind immer noch deutlich im Schnee zu sehen.
     
    Nun, wie ihr seht, ich bekam die passende Note, hatte wohl eindeutig das Thema verfehlt.
    Aber ich denke immer noch, dass es wahr ist: Weihnachten ist kein Datum, sondern eine Entscheidung. Eine Entscheidung für die richtige Seite. Gott gab uns Jesus. Seine Geburt feiern wir zu Weihnachten.
    Aber Gott gab uns auch die Gabe, in uns hineinzuhören und zu fühlen, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse. Halten wir uns daran, brauchen wir uns nicht einmal vor dem Teufel selbst zu fürchten … Denn er kann uns nichts tun. Er kann uns nur verführen. Doch wir entscheiden selbst.
    Entscheiden wir uns doch einfach für … Frohe Weihnachten.
     

Karl-Heinz Witzko
                                           Dicke, rote Männer
     
    Leise rieselte der Schnee und setzte Pfosten und Balken weiße Hütchen auf. Lange Eiszapfen hingen von der Dachkante herab. Es schneite nicht zum ersten Mal in diesem Winter, und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Brams blickte hoch zu dem rot gekleideten, dicken Mann mit dem stattlichen weißen Bart. Er hing an einem Seil, dessen eines Ende um seinen Hals und dessen anderes um eine der Stützstreben des Daches geknotet war. Träge drehte er sich im Nachtwind an dem knarrenden Tau. Zuerst linksherum, dann rechtsherum, dann wieder zurück.
    »Au Backe!«, flüsterte der Kobold. »Au Backe!«
     
    *
     
    Einige Stunden zuvor …
    Die Schneedecke war makellos. Sie verbarg schroffe Felsen unter sanften Rundungen und ebnete Mulden, Schründe und Risse ein, sodass der Hang alles in allem als gleichmäßig abfallende Ebene erschien. Der Wald begann erst ganz unten. Er hatte die schwarze Farbe der Stämme und die weiße des Schnees, der die Äste der Bäume mit seinem Gewicht krümmte und im Licht der untergehenden Sonne dieses viel zu kurzen Tages glitzerte. Spuren menschlichen Wirkens waren weit und breit nicht zu erkennen, sodass ein unbelasteter Betrachter leicht hätten denken können: Das ist die Welt, wie sie einst war – leer und menschenlos.
    Wenigstens eine der beiden Aussagen stimmte nicht, denn die Tür öffnete sich.
    Sie gehörte nicht zu einem Haus oder einem Turm. Tatsächlich hatte sie erst vor einem winzigen Augenblick ihre Position im oberen Drittel des Hangs eingenommen. Aufrecht stand sie im nach wie vor unberührten Schnee. Woher war sie so plötzlich gekommen? Darauf gab es nur zwei mögliche Antworten: aus dem Nichts oder von ziemlich bedenklich anderswo!
    Eigentlich bestand die Tür nur aus einem Türblatt ohne Rahmen und Scharniere. Dennoch schwang sie auf. Wer immer durch sie

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