Das Fest der Zwerge
treten würde, kam aus einem Dahinter, das sich nicht hinter der Tür auf dem Hang befand.
Vier Gestalten stürmten nacheinander aus der Türöffnung: Brams, Hutzel, Riette und Rempel Stilz. Sie waren etwa so groß wie zweijährige Kinder – Menschenkinder wohlgemerkt! – und in weiße Kapuzenmäntel gekleidet. Allerdings keine reinweißen. Eher von einer Farbe, als habe jemand in einen kochenden Kessel voller weißer Umhänge eine einzelne rote, blaue oder grüne Socke geworfen. Kurzum: Man sah den Kobolden an, dass jemand peinlich genau darauf geachtet hatte, dass nicht zwei von ihnen den gleichen Umhang trugen.
Brams war als Erster auf den Hang getreten.
»Puh! Ist das kalt«, rief er aus und blies den Atem in seine Hände. Damit war auch bereits das Ende jeder geregelten Unterhaltung erreicht. Denn nun sprachen alle durcheinander.
»Was singt er eigentlich?«
»Wahrscheinlich das, was sie immer singen: Balladen von blutigen Schlachten, einem düsteren Feind im Osten, vielleicht auch Westen, Norden oder Süden und von bösen Streichen, an denen viele von ihnen sterben und über die nun wirklich niemand lachen kann.«
»Also Lieder, in denen irgendetwas zerbrochen und nicht mehr heile gemacht wird, wiewohl es bestimmt keine große Mühe wäre?«
»So ist es! Als richteten sie nicht schon selbst genug Schaden an, lauschen sie auch noch gerne Geschichten von zerstörten Städten, Häusern, Gemäuern …«
»Vor allem von Gemäuern!«
Schlagartig herrschte Stille. Die vier nickten sich ernst zu. Menschen waren ganz anders als Kobolde!
»Toll! Schnee!«, rief eine neue Stimme. Sie klang kräftig wie ein junger Birkentrieb und gehörte der Tür, dem fünften Bandenmitglied. »Schnell! Werft mich um! Bitte, bitte!«
Riette erfüllte ihren Wunsch. Die Tür schlug auf dem Schnee auf und setzte sich umgehend in Bewegung. »Alle aufgesessen!«, rief sie vergnügt.
Brams schüttelte den Kopf. Birke war nicht die erste Tür, mit der er geschäftlich zu tun hatte. Er hatte im Laufe seines Lebens etliche kennengelernt: hochnäsige, eingebildete, mürrische, besonnene und selbst verlogene und verräterische Türen, doch niemals eine so junge und quirlige.
»Brams, willst du zu Fuß gehen?«, ermahnte ihn Rempel Stilz.
Das riss den Kobold aus seinen Gedanken. Seine drei Begleiter saßen auf der Tür und glitten den Abhang hinab. Sie hatten bereits einen Vorsprung! Brams begann zu rennen. Oh, war das mühsam! Seine Füße sanken tief im Schnee ein und waren nur schwer wieder zu befreien. Hoch, runter, hoch, runter.
Eine Hand griff nach ihm und zog ihn auf die Tür.
»Brams ist manchmal ein richtiger Tagträumer«, behauptete Riette. Wie so oft seit einiger Zeit, ahmte sie beim Sprechen Rempel Stilz nach. Der hatte längst aufgegeben, sich dagegen zu wehren, und antwortete daher mit gleich klingender Stimme: »So ist es!« Im Zwiegespräch hörten sich die beiden recht seltsam an.
Immer schneller schoss die Tür den Abhang hinab. Brams spürte den Fahrtwind und den aufgewirbelten Schnee auf der Haut. Die Tür juchzte »Hui!«, Riette rief »Hiu!« und Hutzel imitierte den scharfen Schrei eines Reihers.
»Jemand sollte jetzt bremsen!«, schlug die Tür vor.
»Was?«, meinte Hutzel.
»Was?«, wiederholte Rempel Stilz.
Brams kam nicht mehr dazu, eine äußerst ähnliche Frage zu formulieren, bevor sich Birke jäh aufbäumte und ihre Koboldfracht schwungvoll abwarf.
Zwischen schneeverhangenen Tannen fand er sich wieder. Brams erhob sich verwirrt und klopfte die weiße Pracht ab. Unerwartet wurde er umgestoßen. Er sah einen Fuchs davoneilen. Irgendetwas trug das Tier im Maul.
»So etwas!«, murmelte Brams und suchte seine Gefährten. Sie waren alle wohlauf.
»Toll!«, juchzte die Tür verträumt.
»Wurdet ihr je von einem Fuchs angerempelt?«, fragte Brams in die Runde.
»Vermutlich war es kein Fuchs, sondern ein Dachs!«, belehrte ihn Riette. »Füchse und Dachse – die beiden verwechselt man leicht. Meistens ist es ein Dachs!«
»Er trug etwas im Maul«, wandte Brams zweifelnd ein.
»Das war bestimmt ein Frosch!«, entschied Rempel Stilz.
*
Tollwart war erleichtert, sein Zuhause rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit erreicht zu haben. Er machte einen Abstecher zum Gänsestall, vergewisserte sich, dass die Vögel sicher verwahrt waren, und betrat das Haus. Wie die meisten Roten Sänger lebte er als Einsiedler und Eigenbrötler. Er legte den schweren Pelzmantel ab, trat zum Kamin und schürte
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