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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Echo des Trinkspruchs verklungen war. »Ich glaube nicht, daß er so dumm ist. Und wenn er es tut, werden die Vereinigten Staaten ihre zweite Schweinebucht erleben. Wir haben modernere Streitkräfte als der Bärtige. Und hier, mit mir an der Spitze, wird noch der letzte Dominikaner kämpfen.«
    Er schloß die Augen und fragte sich, ob sein Gedächtnis ihm erlauben würde, sich genau an das Zitat zu erinnern. Ja, da war es, vollständig flog es ihm zu aus der Gedenkfeier zum neun-undzwanzigsten Jahrestag seiner ersten Wahl. Er rezitierte es inmitten eines ehrfürchtigen Schweigens:
    »›Welche Überraschungen die Zukunft auch immer für uns bereithalten mag, einer Sache können wir sicher sein: Die Welt wird Trujillo vielleicht als Toten sehen, aber nicht als Deserteur wie Batista, nicht als Flüchtling wie Pérez Jiménez und nicht als Angeklagten vor einem Gericht wie Rojas Pinilla. Der dominikanische Staatsmann ist von anderer Gesittung und anderem Schlag.‹« Er öffnete die Augen und ließ einen zufriedenen Blick über seine Gäste schweifen, die, nachdem sie dem Zitat aufmerksam gelauscht hatten, zustimmend nickten. »Wer hat den Satz geschrieben, den ich gerade zitiert
    habe?« fragte der Wohltäter.
    Sie schauten sich fragend an, überlegten neugierig, argwöhnisch, beunruhigt. Schließlich konzentrierten sich die Blicke auf das freundliche, runde, in seiner Bescheidenheit verlegene Gesicht des kleinen Vielschreibers, dem das erste Amt der Republik zugefallen war, nachdem Trujillo seinen Bruder Negro in der vagen Hoffnung, die Sanktionen der OAS zu vermeiden, zum Rücktritt veranlaßt hatte.
    »Ich bewundere das Gedächtnis Eurer Exzellenz«, murmelte Joaquín Balaguer mit ostentativer Bescheidenheit, wie erdrückt unter der Ehre, die man ihm angedeihen ließ. »Es erfüllt mich mit Stolz, daß Sie sich an meine bescheidene Rede vom 3. August erinnern.« Die Augenlider halb gesenkt, beobachtete der Generalissimus, wie sich die Gesichter Virgilio Álvarez Pinas, des Lebenden Drecks, Paíno Pichardos und der Generäle vor Neid verzerrten. Sie litten. Sie dachten, daß der unbedeutende, der unauffällige Dichter, der verhuschte Professor und Jurist im ewigen Wettstreit um die Gunst des Chefs, darum, vor den anderen anerkannt, erwähnt, erwählt, ausgezeichnet zu werden, ihnen nun einige Punkte voraus war. Er fühlte Zärtlichkeit für diese beflissenen Ziehsöhne, die er seit dreißig Jahren in ständiger Unsicherheit leben ließ.
    »Das ist keine Phrase, Simon«, erklärte er. »Trujillo gehört nicht zu den Regierungschefs, die die Macht aufgeben, wenn die Kugeln pfeifen. Ich habe an deiner Seite, bei den marines, gelernt, was Ehre ist. Und daß man in jedem Augenblick ein Ehrenmann ist. Daß Männer mit Ehre nicht davonlaufen. Sie kämpfen, und wenn sie sterben müssen, dann sterben sie im Kampf. Weder Kennedy noch die OAS, noch der widerliche weibische Neger von Betancourt, noch der Kommunist Fidel Castro werden erreichen, daß Trujillo aus dem Land davonläuft, das ihm alles verdankt, was es ist.«
    Der Flüssige Verfassungsrechder begann zu applaudieren, aber als etliche Hände sich regten, um es ihm gleichzutun, gebot Trujillos Blick dem Applaus jäh Einhalt. »Weißt du, was der Unterschied ist zwischen diesen Feiglingen und mir, Simon?« fuhr er fort und schaute seinem ehemaligen Ausbilder in die Augen. »Daß ich bei der Marineinfanterie der Vereinigten Staaten von Amerika ausgebildet wurde. Das habe ich nie vergessen. Du hast es mir beigebracht, in Haina und in San Pedro de Macorís. Erinnerst du dich? Wir vom ersten Jahrgang der PND, der Staatlichen Polizei der Dominikanischen Republik, sind aus Stahl. Die Neider sagten, PND heiße ›Pack der NegerDominikaner‹. Die Wahrheit ist, daß dieser Jahrgang dieses Land verändert, es erschaffen hat. Mich überrascht nicht, was du für dieses Land tust. Denn du bist ein wahrer marine, wie ich. Ein loyaler Mann. Der erhobenen Kopfes stirbt, den Blick zum Himmel gerichtet, wie die arabischen Pferde. Simon, obwohl dein Land sich so übel verhält, grolle ich ihm nicht. Denn ich verdanke den marines, was ich bin.«
    »Eines Tages werden die Vereinigten Staaten bereuen, daß sie so undankbar gegenüber ihrem karibischen Freund und Verbündeten gewesen sind.«
    Trujillo trank ein paar Schlucke Wasser. Die Gespräche wurden wiederaufgenommen. Die Diener trugen erneut Kaffee auf, weiteren Cognac und andere Spirituosen, Zigarren. Der Generalissimus hörte abermals

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