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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gegen dich veröffentlicht wurden, die sagen, daß du kriminelle Sachen gemacht hast. Niemand wird das glauben, was für ein Unsinn. Alle wissen, daß du gar nicht fähig bist, so etwas Böses zu tun.«
    Ihr Vater umarmte sie, über der Bettdecke. Es war schlimmer als nur die Verleumdungen in der Zeitung, mein Liebes. Sie hatten ihm die Präsidentschaft des Senats genommen. Ein Ausschuß des Kongresses überprüfte, ob es Mißbrauch und Veruntreuung öffentlicher Mittel während seiner Amtsführung als Minister gegeben hatte. Seit Tagen folgten ihm die Wannen des SIM; in diesem Augenblick stand eine vor der Haustür, mit drei caliés. In der letzten Woche war ihm der Ausschluß aus dem Institute Trujilloniano, aus dem Country Club und aus der Dominikanischen Partei mitgeteilt worden, und heute nachmittag, als er bei der Bank Geld abheben wollte, der Schlag, der ihm den Rest gab. Der Geschäftsführer, sein Freund Josefo Heredia, hatte ihm mitgeteilt, daß seine beiden Bankguthaben für die Dauer der Ermittlungen des Kongresses eingefroren worden seien. »Alles kann passieren, mein Kleines. Sie können dieses Haus beschlagnahmen, uns auf die Straße setzen. Sogar ins Gefängnis stecken. Ich will dich nicht erschrecken. Vielleicht passiert auch gar nichts. Aber du mußt darauf gefaßt sein. Tapfer sein.«
    Sie hörte ihm perplex zu; nicht wegen seiner Worte, sondern wegen seiner gebrochenen Stimme, seinem hilflosen Gesichtsausdruck, dem Schrecken in seinen Augen.
    »Ich werde zur Jungfrau beten«, fiel ihr ein. »Die Jungfrau von Altagracia wird uns helfen. Warum sprichst du nicht mit dem Chef? Er hat dich immer gern gehabt. Er soll einen Befehl geben, und dann kommt alles wieder in Ordnung.« »Ich habe ihn um eine Audienz gebeten, und er antwortet mir nicht einmal, Uranita. Ich gehe in den Regierungspalast, und die Sekretäre und Adjutanten grüßen mich kaum. Auch Präsident Balaguer und der Innenminister wollten mich nicht sehen; ja, Paíno Pichardo. Ich bin ein lebender Toter, mein Kleines. Vielleicht hast du recht, und uns bleibt nichts anderes übrig, als zur Jungfrau zu beten.«
    Seine Stimme versagte. Als das Mädchen sich aufrichtete, um ihn zu umarmen, faßte er sich wieder. Er lächelte sie an:
    »Das sollst du wissen, Uranita. Wenn mir etwas zustößt, dann gehst du zu Onkel und Tante. Aníbal und Adelina werden sich
    um dich kümmern. Vielleicht ist es eine Probe. Manchmal hat der Chef so etwas gemacht, um seine Mitarbeiter auf die Probe zu stellen.«
    »Ihm Machenschaften vorzuwerfen«, seufzt Tante Adelina. »Außer diesem Haus in Gazcue hat er nie etwas besessen. Keine Landgüter, keine Firmen, keine Investitionen. Nur diese Ersparnisse, die fünfundzwanzigtausend Dollar, die er dir nach und nach gegeben hat, während deines Studiums. Der ehrlichste Politiker und der beste Vater der Welt, Uranita. Und wenn du erlaubst, daß diese alte, kindische Tante sich in dein Privatleben einmischt – du hast dich ihm gegenüber nicht verhalten, wie es deine Pflicht gewesen wäre. Ich weiß, daß du ihn unterstützt und ihm die Krankenschwester bezahlst. Aber weißt du eigentlich, wie weh du ihm getan hast, als du keinen einzigen Brief von ihm beantwortet hast, nicht ans Telefon gegangen bist, wenn er dich anrief? Wir haben ihn oft um dich weinen sehen, Aníbal und ich, hier in diesem Zimmer. Und jetzt, wo so viel Zeit vergangen ist, darf man da wissen, warum, Mädchen?«
    Urania überlegt, hält dem fordernden Blick der Ideinen Alten stand, die wie ein krummer Haken in ihrem Sessel hockt.
    »Weil er kein so guter Vater war, wie du glaubst, Tante Adelina«, sagt sie schließlich.
    Der Senator Cabral ließ das Taxi vor der Internationalen Klinik halten, vier Straßenzüge vom Geheimdienst entfernt, der sich ebenfalls in der Avenida Mexico befand. Als er dem Taxifahrer die Adresse nennen wollte, hatte ihn ein seltsames Gefühl erfaßt, Schmach und Scham, und statt ihm zu sagen, er wolle zum SIM, hatte er die Klinik angegeben. Er lief die vier Straßen ohne Eile; die Domäne von Johnny Abbes war wahrscheinlich die einzige wichtige Örtlichkeit des Regimes, die er bislang nie betreten hatte. Die Wanne mit caliés folgte ihm unverhohlen, im Zeitlupentempo, dicht am Bürgersteig, und er konnte die Kopfbewegungen und erschrockenen Mienen der Passanten sehen, wenn sie den emblematischen Volkswagen entdeckten. Er mußte daran denken, daß er im Haushaltsausschuß des Kongresses für den Posten gestimmt hatte, der für
    den

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