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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Import der etwa hundert Wannen bestimmt gewesen war, mit denen die caliés von Johnny Abbes sich jetzt im ganzen Land auf der Suche nach Feinden des Regimes bewegten.
    Als er vor das abgeblätterte, nichtssagende Gebäude gelangte, ließ ihn die Wache aus Polizisten in Uniform und Zivil mit Maschinenpistolen, die hinter Stacheldraht und Sandsäcken den Eingang bewachte, passieren, ohne ihn zu durchsuchen oder seine Papiere zu verlangen. Drinnen erwartete ihn einer der Stellvertreter von Oberst Abbes: César Báez, kräftig gebaut, pockennarbig, mit krausem rotem Haar. Er gab ihm eine schweißfeuchte Hand und führte ihn durch schmale Gänge voller Männer mit Pistolen in Schulter- oder Achselhalftern, die in kleinen, rauchverhangenen Zimmern mit Anschlagtafeln voller Zettel rauchten, redeten oder lachten. Es roch nach Schweiß, Urin und Füßen. Eine Tür ging auf. Da war der Chef des SIM. Ihn überraschte die mönchische Kargheit des Büros, die Wände ohne Bilder oder Plakate, abgesehen von der Wand hinter dem Rücken des Obersts, an der ein Porträt des Wohltäters in Paradeuniform – Dreispitz mit Federbusch, medaillenbestückte Uniformbrust – hing. Abbes García trug Zivil, ein sommerliches, kurzärmeliges Hemd, und im Mund hatte er eine rauchende Zigarette. Er hielt ein rotes Taschentuch in der Hand, das Cabral oft bei ihm gesehen hatte.
    »Guten Tag, Senator.« Er reichte ihm eine weiche, fast weibliche Hand. »Setzen Sie sich. Wir haben es hier nicht sehr bequem, Sie müssen entschuldigen.« »Ich danke Ihnen, daß Sie mich empfangen, Herr Oberst. Sie sind der erste. Weder der Chef noch Präsident Balaguer, noch ein einziger Minister haben meine Bitten um Audienz beantwortet.«
    Die dickbauchige, leicht bucklige kleine Gestalt nickte. Cabral sah über dem Doppelkinn den schmalen Mund und die schlaffen Wangen, die tiefliegenden, wäßrigen Augen des Obersts, die sich unruhig bewegten. Ob er so grausam war, wie man behauptete?
    »Niemand will sich anstecken, Senor Cabral«, sagte Johnny
    Abbes kalt. Dem Senator kam der Gedanke, daß Schlangen, wenn sie sprechen könnten, diese zischende Stimme hätten. »In Ungnade fallen ist eine ansteckende Krankheit. Was kann ich für Sie tun.« »Sie können mir sagen, was man gegen mich vorbringt, Herr Oberst.« Er machte eine Pause, um Luft zu holen und gelassener zu wirken. »Mein Gewissen ist rein. Seit meinem zwanzigsten Lebenjahr ist mein Leben Trujillo und diesem Land geweiht. Es hat einen Irrtum gegeben, das schwöre ich Ihnen.«
    Der Oberst unterbrach ihn mit einer Bewegung der schwammigen Hand, die das rote Tuch hielt. Er drückte die Zigarette in einem blechernen Aschenbecher aus: »Verlieren Sie Ihre Zeit nicht damit, daß Sie mir Erklärungen geben, Dr. Cabral. Politik ist nicht meine Sache, ich befasse mich mit Sicherheit. Wenn der Chef Sie nicht empfangen will, weil er sich von Ihnen verletzt fühlt, dann schreiben Sie ihm.«
    »Das habe ich bereits getan, Herr Oberst. Ich weiß nicht einmal, ob man ihm meine Briefe ausgehändigt hat. Ich habe sie persönlich zum Palast gebracht.« Das aufgedunsene Gesicht Johnny Abbes’ entspannte sich etwas:
    »Niemand würde einen Brief zurückhalten, der an den Chef gerichtet ist, Senator. Er wird sie gelesen haben, und wenn Sie aufrichtig gewesen sind, wird er Ihnen antworten.« Er machte eine lange Pause, musterte ihn mit seinen ruhelosen kleinen Augen und fügte dann leicht herausfordernd hinzu: »Wie ich sehe, fällt Ihnen auf, daß ich ein Taschentuch mit dieser Farbe benutze. Wissen Sie, warum ich das tue? Es ist eine Lehre der Rosenkreuzer. Rot ist die Farbe, die zu mir paßt. Sie werden nicht an die Rosenkreuzer glauben, es wird Ihnen wie Aberglaube vorkommen, ein wenig primitiv.«
    »Ich weiß nichts von der Religion der Rosenkreuzer, Herr Oberst. Ich habe keine Meinung dazu.« »Jetzt habe ich keine Zeit, aber als junger Mann habe ich viel über die Rosenkreuzer gelesen. Ich habe ziemlich viel gelernt.
    Zum Beispiel, die Aura der Personen zu lesen. Ihre ist in diesem Augenblick die von jemandem, der halbtot vor Angst ist.«
    »Ich bin halbtot vor Angst«, antwortete Cabral rasch. »Seit Tagen folgen mir Ihre Männer pausenlos. Sagen Sie mir wenigstens, ob sie mich festnehmen werden.« »Das hängt nicht von mir ab«, sagte Johnny Abbes leichthin, als hätte die Sache keine Bedeutung. »Wenn man es mir befiehlt, werde ich es tun. Die Eskorte soll Sie davon abhalten, Asyl zu suchen. Wenn Sie es versuchen,

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