Das Fest des Ziegenbocks
werden meine Männer Sie verhaften.« »Asyl suchen? Aber, Herr Oberst. Asyl suchen, wie ein Feind des Regimes? Ich selbst bin doch das Regime seit dreißig Jahren.«
»Bei Ihrem Freund Henry Dearborn, dem Leiter der Mission, die die Yankees uns hiergelassen haben«, fuhr Oberst Abbes sarkastisch fort.
Die Verblüffung ließ Agustín Cabral verstummen. Was wollte er damit sagen?
»Der Konsul der Vereinigten Staaten mein Freund?« stammelte er. »Ich habe Herrn Dearborn in meinem Leben nur zwei- oder dreimal gesehen.«
»Er ist unser Feind, wie Sie wissen«, fuhr Abbes García fort. »Die Yankees haben ihn hiergelassen, als die OAS die Sanktionen vereinbarte, damit er weiter gegen den Chef intrigieren kann. Seit einem Jahr laufen sämtliche Verschwörungen über das Büro von Dearborn. Trotzdem waren Sie, der Senatspräsident, kürzlich zu einem Cocktail bei ihm. Erinnern Sie sich?«
Agustín Cabrals Staunen wuchs. Das war es? Daß er bei diesem Cocktail im Haus des Geschäftsträgers gewesen war, den die Vereinigten Staaten nach dem Schließen der Botschaft im Land belassen hatten?
»Der Chef hatte uns, dem Minister Paíno Pichardo und mir, den Befehl gegeben, zu diesem Cocktail zu gehen«, erklärte er. »Um die Pläne seiner Regierung zu sondieren. Weil ich diesen Befehl befolgt habe, bin ich in Ungnade gefallen? Ich habe einen schriftlichen Bericht über dieses Treffen angefertigt.«
Oberst Abbes García zuckte die abfallenden Schultern mit einer marionettenhaften Bewegung.
»Wenn es ein Befehl des Chefs war, dann vergessen Sie meine Worte«, räumte er mit ironischem Unterton ein. Seine Haltung ließ eine gewisse Ungeduld erkennen, aber Cabral verabschiedete sich nicht. Er nährte die unsinnige Hoffnung, dieses Gespräch könnte irgendein Ergebnis haben.
»Sie und ich sind nie Freunde gewesen, Herr Oberst«, sagte er, wobei er sich bemühte, ungezwungen zu sprechen.
»Ich kann keine Freunde haben«, erwiderte Abbes García. »Das würde meiner Arbeit schaden. Meine Freunde und meine Feinde sind die des Regimes.« »Lassen Sie mich bitte ausreden«, fuhr Agustín Cabral fort. »Aber ich habe Sie immer geachtet und Ihre außergewöhnlichen Dienste für das Land gewürdigt. Wenn wir irgendeine Meinungsverschiedenheit gehabt haben…« Es schien, als würde der Oberst eine Hand heben, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber er tat es, um sich eine weitere Zigarette anzuzünden. Er atmete gierig ein und stieß den Rauch langsam durch Mund und Nase aus. »Natürlich haben wir Meinungsverschiedenheiten gehabt«, bestätigte er. »Sie gehörten zu denen, die meine These, daß man sich angesichts des Verrats der Yankees den Russen und den Ostblockländern nähern muß, am meisten bekämpft haben. Sie haben gemeinsam mit Balaguer und Manuel Alfonso versucht, den Chef davon zu überzeugen, daß die Versöhnung mit den Yankees möglich ist. Glauben Sie diesen Blödsinn noch immer?«
War das der Grund? Hatte Abbes García ihm den Dolchstoß versetzt? Hatte der Chef diesen Unsinn akzeptiert? Sie stellten ihn kalt, um das Regime dem Kommunismus anzunähern? Es war vergeblich, sich weiter vor einem Folter- und Mordspezialisten zu demütigen, der sich aufgrund der Krise jetzt zum politischen Strategen aufspielte.
»Ich denke noch immer, daß wir keine Alternative haben, Herr Oberst«, erklärte er entschlossen. »Was Sie vorschlagen,
entschuldigen Sie die Offenheit, ist ein Hirngespinst. Weder die UdSSR noch ihre Satelliten werden jemals eine Annäherung an die Dominikanischen Republik akzeptieren, dem antikommunistischen Bollwerk des Kontinents. Auch die Vereinigten Staaten werden es nicht zulassen. Wollen Sie weitere acht Jahre nordamerikanischer Besatzung? Wir müssen zu einer Verständigung mit Washington gelangen, oder es wird das Ende des Regimes sein.« Der Oberst ließ die Asche seiner Zigarette auf den Boden fallen. Er nahm einen Zug nach dem anderen, als fürchtete er, man könne ihm die Zigarette entreißen; ab und zu wischte er sich mit seinem flammenden Taschentuch über die Stirn.
»Ihr Freund Henry Dearborn denkt leider nicht so.« Er zuckte abermals die Schultern, wie ein Schmierenkomödiant. »Er versucht weiter, einen Putsch gegen den Chef zu finanzieren. Nun ja, diese Diskussion ist nutzlos. Ich hoffe, daß Sie Ihre Situation klären, damit ich die Eskorte abberufen kann. Danke für Ihren Besuch, Senator.«
Er gab ihm nicht die Hand. Er beschränkte sich darauf, sein gedunsenes, in einer Rauchwolke
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