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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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seinen Anweisungen gefolgt, Soldaten
    und caliés abzuziehen. Er sah zwar keine Stacheldrahtsperren und Sandsäcke an den Ecken, auch nicht die kleinen Volkswagen oder uniformierte Polizisten mit Maschinenpistolen. Aber von Zeit zu Zeit erkannte er an den Straßenmündungen der Avenida in einiger Entfernung eine einzelne schwarze Wanne mit den Köpfen von caliés in den Fenstern oder Zivilpersonen mit Ganovengesichtern, die an den Straßenlaternen lehnten und in deren Achselhöhlen sich deutlich die Pistolen abzeichneten. Auf der Avenida George Washington hatte man den Verkehr nicht gesperrt. Aus Lastwagen und Personenwagen lehnten sich Leute, die ihm zuwinkten: »Es lebe der Chef!« Ganz auf die Anstrengung des Spaziergangs konzentriert, der seinem Körper eine köstliche Wärme und seinen Beinen eine gewisse Müdigkeit beschert hatte, dankte er mit einer Handbewegung. Es gab keine erwachsenen Passanten auf der Avenida, nur zerlumpte Kinder, Schuhputzer und Schokolade- und Zigarettenverkäufer, die ihn mit offenem Mund anstarrten. Im Vorbeigehen strich er ihnen über den Kopf oder warf ihnen ein paar Münzen hin (er trug immer viel Kleingeld in der Hosentasche). Kurz darauf rief er den Lebenden Dreck.
    Der Senator Chirinos näherte sich hechelnd wie ein Jagdhund. Er schwitzte noch mehr als Modesto Díaz. Trujillo fühlte neuen Mut. Der Flüssige Verfassungsrechtler war jünger als er, und ein kleiner Spaziergang richtete ihn zugrunde. Statt auf sein »Guten Abend, Chef« zu antworten, fragte er ihn:
    »Hast du Ramfis angerufen? Hat er Lloyd’s in London Erklärungen gegeben?«
    »Ich habe zweimal mit ihm gesprochen.« Der Senator hob beim Gehen kaum die Füße, und die Sohlen und Spitzen seiner deformierten Schuhe stießen gegen die Steinplatten, die von den Wurzeln der Palmen und Mandelbäume hochgedrückt worden waren. »Ich habe ihm das Problem erklärt, ihm Ihre Befehle wiederholt. Na ja, Sie können es sich sicher denken. Aber am Ende hat er meine Argumente akzeptiert. Er versprach mir den Brief an Lloyd’s, um das
    Mißverständnis
    aufzuklären und zu bestätigen, daß der Posten an die Zentralbank überwiesen werden muß.« »Hat er es getan?« unterbrach ihn Trujillo brüsk. »Deshalb habe ich ihn das zweite Mal angerufen, Chef. Er will, daß ein Übersetzer sein Telegramm überprüft, damit es nicht mit Fehlern bei Lloyd’s ankommt, da sein Englisch nicht das beste ist. Er wird es ganz sicher tun. Er sagte mir, er bedaure das Vorgefallene.«
    Hielt Ramfis ihn schon für zu alt, um ihm zu gehorchen? Früher hätte er einen Befehl von ihm nicht unter so einem fadenscheinigen Vorwand unausgeführt gelassen. »Ruf ihn noch einmal an«, befahl er unwirsch. »Wenn er diese Sache mit Lloyd’s nicht heute noch regelt, bekommt er es mit mir zu tun.«
    »Sofort, Chef. Aber seien Sie unbesorgt, Ramfis hat die Situation verstanden.«
    Er entließ Chirinos und fand sich resigniert damit ab, seinen einsamen Spaziergang zu beenden, um die anderen nicht zu enttäuschen, die darauf aus waren, einige Worte mit ihm zu wechseln. Er wartete auf den menschlichen Schweif, trat in seine Mitte und plazierte sich zwischen Virgilio Älvarez Pina und den Innen- und Kultusminister Paíno Pichardo. In der Gruppe befanden sich auch Navajita Espaillat, der Polizeichef, der Direktor von El Caribe und der neue Senatspräsident Jeremías Quintanilla, dem er gratulierte und Erfolg wünschte. Der Beförderte strahlte vor Freude und zerging in Dankesworten. Während er unverändert rasch ausschritt und auf der Meeresseite nach Osten strebte, forderte er mit lauter Stimme:
    »Nun, meine Herren, erzählen Sie mir die neuesten trujillofeindlichen Witze.«
    Eine Welle von Gelächter quittierte seinen launigen Einfall, und Augenblicke später plapperten alle wie die Papageien. Während er tat, als hörte er ihnen zu, nickte er, lächelte er. Ab und zu spähte er nach dem betrübten General JoséRene Roman. Der Minister der Streitkräfte konnte seine Beklemmung nicht verbergen: Was würde der Chef ihm vorwerfen? Bald
    wirst du es wissen, du Trottel. Während er sich dieser und jener Gruppe zuwandte, damit niemand sich übergangen fühlte, passierte er die gepflegten Gärten des Hotels Jaragua, aus dem die Klänge des zur Cocktailstunde spielenden Orchesters an sein Ohr drangen, und ging einen Straßenzug weiter unter den Baikonen des Gebäudes der Dominikanischen Partei vorbei. Angestellte, Bürohilfen und Bittsteller traten heraus, um ihm zu

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