Das Fest des Ziegenbocks
Geflatter der Möwenschwärme zu. Die Meeresbrise durchströmte seine Lungen. Ein reinigendes Bad, das ihn wieder zu Kräften brachte. Aber er durfte sich nicht ablenken lassen; er hatte noch Arbeit vor sich. »Rufen Sie Johnny Abbes.«
Die unelegante, schwabbelige Gestalt des Chefs des SIM löste sich aus der Traube der Zivil- und Militärpersonen – der Generalissimus lief mit raschen Schritten auf die Zementsäule zu – und schloß zu ihm auf. Trotz seiner Leibesfülle hielt Johnny Abbes García mühelos mit ihm Schritt.
»Was ist mit Juan Tomás los?« fragte er ihn, ohne ihn anzuschauen.
»Nichts Besonderes, Exzellenz«, antwortete der Chef des SIM. »Er war heute auf seinem Landgut in Moca, mit Antonio de la Maza. Sie haben ein Kalb mitgebracht. Es kam zu einem häuslichen Streit zwischen dem General und seiner Frau Ghana, weil sie sagte, es würde viel Arbeit machen, das Kalb zu zerteilen und einzulegen…« »Haben Balaguer und Juan Tomás sich in diesen Tagen gesehen?« unterbrach ihn Trujillo.
Da Abbes García mit der Antwort auf sich warten ließ, wandte er sich ihm zu. Der Oberst schüttelte den Kopf. »Nein, Exzellenz. Soviel ich weiß, sehen sie sich schon länger nicht. Warum fragen Sie das?«
»Aus keinem besonderen Grund.« Der Generalissimus zuckte die Schultern. »Aber als ich eben in seinem Amtszimmer die Verschwörung von Juan Tomás erwähnte, habe ich etwas Merkwürdiges bemerkt. Etwas Merkwürdiges gefühlt. Ich weiß nicht, was, irgend etwas. Gibt es in Ihren Berichten nichts Verdächtiges gegen den Präsidenten?«
»Nichts, Exzellenz. Sie wissen, daß ich ihn vierundzwanzig Stunden am Tag unter Bewachung habe. Er tut keinen Schritt, er empfangt niemanden, er macht keinen Anruf ohne unser Wissen.«
Trujillo nickte. Es gab keinen Grund, dem Marionettenpräsidenten zu mißtrauen: die Ahnung konnte ihn trügen. Diese Verschwörung schien keine ernste Sache zu sein. Antonio de la Maza, einer der Verschwörer? Noch ein Verbitterter, der in Whisky und Freßgelagen Trost für seine Frustrationen suchte. Wahrscheinlich führten sie sich heute abend einen raffinierten Kalbsbraten zu Gemüte. Und wenn er nun unangemeldet zu Hause bei Juan Tomás in Gazcue erschien? »Guten Abend, meine Herren. Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Braten mit mir zu teilen? Er riecht so gut! Der Duft ist bis zum Regierungspalast gezogen und hat mich hergeführt.« Würde Schrecken oder Freude in ihren Gesichtern stehen? Würden sie glauben, daß der unerwartete Besuch ihre Rehabilitation besiegelte? Nein, heute abend ging es nach San Cristóbal, um Yolanda Esterei Lustschreie zu entlocken und sich morgen jung und gesund zu fühlen.
»Warum haben Sie vor zwei Wochen die Tochter von Cabral in die Vereinigten Staaten ausreisen lassen?« Dieses Mal hatte er Oberst Abbes García überrumpelt. Er sah, wie er sich mit der Hand über die aufgedunsenen Wangen strich, ohne zu wissen, was er antworten sollte. »Die Tochter des Senators Agustín Cabral?« murmelte er, um Zeit zu gewinnen.
»Uranita Cabral, die Tochter von Cerebrito. Die Nonnen der Santo-Domingo-Schule haben ihr ein Stipendium für die Vereinigten Staaten verschafft. Warum haben Sie sie ausreisen lassen, ohne mich zu konsultieren?« Ihm war, als würde der Oberst vor seinen Augen verfallen. Er machte den Mund auf und zu, auf der Suche nach Worten.
»Es tut mir leid, Exzellenz«, rief er aus und senkte den Kopf. »Ihre Anweisungen lauteten, den Senator zu beschatten und ihn festzunehmen, wenn er versuchen sollte, um Asyl zu bitten. Ich kam nicht auf den Gedanken, daß das Mädchen, nachdem es neulich abend im Mahagonihaus gewesen war, dazu mit einer von Präsident Balaguer unterzeichneten Ausreiseerlaubnis… Um ehrlich zu sein, mir kam nicht einmal der Gedanke, es mit Ihnen zu besprechen, ich hielt es nicht für wichtig.« »Auf solche Gedanken müssen Sie aber kommen«, sagte Trujillo tadelnd. »Ich will, daß Sie das Personal meines Sekretariats überprüfen. Jemand hat mir ein Memorandum Balaguers über die Reise des Mädchens vorenthalten. Ich will wissen, wer das war und warum er das getan hat.« »Sofort, Exzellenz. Ich bitte Sie, diese Nachlässigkeit zu entschuldigen. Es wird nicht noch einmal passieren.« »Das hoffe ich«, entließ ihn Trujillo.
Der Oberst salutierte vor ihm (man bekam Lust zu lachen) und kehrte zu den Höflingen zurück. Er lief ein paar Straßenzüge, nachdenklich, ohne jemanden zu rufen. Abbes García
war nur zum Teil
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