Das Fest des Ziegenbocks
platter Nase, dicken Lippen und eindeutig dunkler Haut wie sein Bruder, General Juan Tomás Díaz, aber er war intelligenter als er und als die meisten Dominikaner, die Trujillo kannte. Er war Präsident der Dominikanischen Partei gewesen, Kongreßabgeordneter und Minister; aber der Generalissimus hatte ihn nicht allzu lange in der Regierung geduldet, eben weil die geistige Klarheit, mit der er ein Problem darlegte, analysierte und löste, ihm gefährlich erschien, ihn überheblich machen und zum Verrat treiben konnte.
»In was für eine Verschwörung ist Juan Tomás verwickelt«, sagte er ohne Umschweife, ihm zugewandt. »Du wirst ja wohl auf dem laufenden sein über das, was dein Bruder und Schwiegersohn treibt, nehme ich an.« Modesto lächelte, als amüsierte er sich über einen Scherz: »Juan Tomás? Ich bezweifle, daß er zwischen seinen Landgütern und Geschäften, zwischen Whisky und Kinovorführungen im Garten seines Hauses noch freie Zeit für Verschwörungen findet.«
»Er konspiriert mit Henry Dearborn, dem Yankee-Diplomaten«, erklärte Trujillo, als hätte er ihn nicht gehört, »Er soll diesen Blödsinn lassen, denn es ist ihm schon einmal übel ergangen, und es kann ihm noch schlimmer ergehen.« »Mein Bruder ist nicht so dumm, gegen Sie zu konspirieren, Chef. Aber, nun ja, ich werde es ihm sagen.« Wie angenehm, die Meeresbrise reinigte seine Lungen, und er hörte das Getöse der Wellen, die sich an den Felsen und an der Zementmauer der Avenida brachen. Modesto Díaz machte Anstalten, sich zu entfernen, aber der Wohltäter hielt ihn zurück:
»Warte, ich bin noch nicht fertig. Oder kannst du nicht mehr?«
»Für Sie riskiere ich einen Herzinfarkt.« Trujillo belohnte ihn mit einem Lächeln. Er hatte seit jeher Sympathie für Modesto empfunden, der nicht nur intelligent, sondern auch umsichtig, gerecht, freundlich, ohne Falsch war. Aber seine Intelligenz war nicht kontrollierbar und ausbeutbar wie die Cerebritos, des Flüssigen Verfassungsrechtlers, oder Balaguers. Modesto besaß etwas Ungebändigtes, eine Unabhängigkeit, die aufrührerisch werden konnte, wenn er zuviel Macht erlangte. Er und Juan Tomás stammten ebenfalls aus San Cristóbal, er hatte seit jungen Jahren Umgang mit ihnen gehabt und ihnen nicht nur Ämter gegeben, sondern Modesto auch bei zahllosen Gelegenheiten als Ratgeber herangezogen. Er hatte ihn äußerst strengen Prüfungen unterworfen, die er glänzend bestand. Das erste Mal Ende der vierziger Jahre, nachdem er die Messe für Rassestiere und Milchkühe besucht hatte, die Modesto Díaz damals in Villa Mella organisierte. Was für eine Überraschung: Das mittelgroße Landgut war ebenso sauber, modern und produktiv wie die Hacienda Fundación. Mehr als durch die tadellosen Ställe und die prächtigen Milchkühe wurde sein Stolz durch die arrogante Genugtuung verletzt, mit der Modesto ihm und den anderen Gästen die Viehfarm zeigte. Am nächsten Tag schickte er den Lebenden Dreck mit einem Scheck über zehntausend Pesos zu ihm, um den Kauf perfekt zu machen. Ohne den geringsten Einwand dagegen zu erheben, dieses Schmuckstück zu einem lächerlichen Preis verkaufen zu müssen (eine einzige seiner Kühe war mehr wert), unterzeichnete Modesto den Vertrag und sandte Trujillo eine
handschriftliche Mitteilung, in der er ihm dafür dankte, daß »Seine Exzellenz mein kleines Agrarunternehmen für wert befindet, von seiner erfahrenen Hand geführt zu werden«. Nachdem er hin und her überlegt hatte, ob in diesen Zeilen eine strafbare Ironie steckte, beschloß der Wohltäter, daß dem nicht so sei. Fünf Jahre später besaß Modesto Díaz eine weitere große und schöne Viehzuchtfarm in einer abgelegenen Region in La Estrella. Glaubte er, daß er in dieser Ferne unbeachtet bleiben würde? Halbtot vor Lachen, schickte Trujillo ihm Cerebrito Cabral mit einem weiteren Scheck über zehntausend Pesos und ließ ihm ausrichten, er habe so großes Vertrauen in sein Talent als Landwirt und Viehzüchter, daß er ihm das Landgut blind, ohne es zu besuchen, abkaufe. Modesto unterschrieb die Übereignung, steckte den symbolischen Betrag in die Tasche und dankte dem Generalissimus mit einem weiteren herzlichen Schreiben. Als Lohn für seine Willfährigkeit schenkte Trujillo ihm einige Zeit später die Exklusivkonzession für den Import von Waschmaschinen und Mixgeräten, so daß der Bruder von General Juan Tomás Díaz sich für jene Verluste schadlos halten konnte. »Diese Schererei mit den
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