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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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applaudieren. Als er zum Obelisken gelangte, schaute er auf seine Uhr: eine Stunde und drei Minuten. Es begann dunkel zu werden. Die Möwen flatterten nicht mehr; sie hatten sich in ihre Verstecke am Strand zurückgezogen. Ein paar Sterne funkelten, aber dicke Wolken verdeckten den Mond. Am Fuß des Obelisken erwartete ihn das neueste Cadillacmodell, das er vor einer Woche eingeweiht hatte. Er verabschiedete sich mit einem Gruß an alle (»Guten Abend, meine Herren, danke für Ihre Begleitung«) und zeigte General JoséRene Roman, ohne ihn anzusehen, mit gebieterischer Geste die Tür des Wagens, die der uniformierte Chauffeur ihm aufhielt: »Du kommst mit mir.«
    General Roman – energisches Zusammenschlagen der Absätze, Hand an den Schirm des Käppis – beeilte sich, ihm zu gehorchen. Er stieg in den Wagen und setzte sich an den äußeren Rand, die Kopfbedeckung auf den Knien, sehr gerade. »Nach San Isidro, zum Stützpunkt.«
    Während der Dienstwagen in Richtung Zentrum fuhr, um über die Radhamés-Brücke auf das linke Ufer des Ozama zu gelangen, betrachtete er die Landschaft, als wäre er allein. General Roman wagte nicht, das Wort an ihn zu richten, in Erwartung der Strafpredigt. Diese begann sich anzukündigen, als sie etwa drei der zehn Meilen zurückgelegt hatten, die den Obelisken vom Luftwaffenstützpunkt trennten.
    »Wie alt bist du?« fragte er ihn, ohne sich ihm
    zuzuwenden.
    »Ich bin gerade sechsundfünfzig geworden, Chef.« Roman – alle nannten ihn Pupo – war ein großer, kräftiger, athletischer Mann mit kurzrasiertem Haar. Seiner sportlichen Betätigung verdankte er eine ausgezeichnete Figur, ohne jede
    Spur von Fett. Er antwortete ihm leise, bescheiden, ein Versuch, ihn zu beschwichtigen.
    »Wie viele Jahre in der Armee?« fuhr Trujillo fort, während er nach draußen spähte, als befragte er einen Abwesenden.
    »Einunddreißig, Chef, seit meiner Graduierung.« Er ließ einige Sekunden verstreichen, ohne etwas zu sagen. Schließlich wandte er sich dem Kommandeur der Streitkräfte zu, mit der grenzenlosen Verachtung, die dieser ihm immer eingeflößt hatte. In der sich rasch ausbreitenden Dunkelheit konnte er seine Augen nicht sehen, aber er war sicher, daß Pupo Roman blinzelte oder die Augen halb geschlossen hatte, wie Kinder, wenn sie in der Nacht aufwachen und furchtsam das Dunkel ausforschen. »Und in so vielen Jahren hast du nicht gelernt, daß der Vorgesetzte für seine Untergebenen haftet? Daß er für ihre Fehler verantwortlich ist?«
    »Das weiß ich sehr gut, Chef. Wenn Sie mir sagen, worum es sich handelt, kann ich Ihnen vielleicht eine Erklärung geben.«
    »Du wirst schon sehen, worum es sich handelt«, sagte Trujillo mit dieser scheinbaren Ruhe, die seine Mitarbeiter mehr fürchteten als sein Toben. »Du duschst und wäschst dich jeden Tag?«
    »Natürlich, Chef.« General Roman versuchte ein Lachen, aber da der Generalissimus ernst blieb, verstummte er. »Das hoffe ich, Mireyas wegen. Ich finde es sehr gut, daß du jeden Tag duschst und dich wäschst, daß du eine gut gebügelte Uniform trägst und polierte Schuhe. Als Kommandeur der Streitkräfte ist es deine Aufgabe, für die dominikanischen Offiziere und Soldaten ein Vorbild an Gepflegtheit und guter Erscheinung zu sein. Nicht wahr?« »Selbstverständlich, Chef«, sagte der General demütig. »Ich bitte Sie inständig, mir zu sagen, worin ich gefehlt habe. Damit ich es korrigieren kann, damit ich mich bessern kann. Ich möchte Sie nicht enttäuschen.« »Die äußere Erscheinung ist der Spiegel der Seele«, philosophierte Trujillo. »Wenn jemand stinkt und ihm der Rotz raus
    läuft, dann ist er nicht die Person, der man die öffentliche Hygiene anvertrauen kann. Meinst du nicht?« »Natürlich nicht, Chef.«
    »Das gleiche gilt für die Institutionen. Was für einen Respekt kann man vor ihnen haben, wenn sie nicht einmal auf ihre äußere Erscheinung achten?« General Roman entschied sich dafür, stumm zu bleiben. Der Generalissimus hatte sich mehr und mehr in Rage geredet und hörte in den fünfzehn Minuten, die sie brauchten, um den Luftwaffenstützpunkt San Isidro zu erreichen, nicht auf, ihn zu beschimpfen. Er erinnerte Pupo daran, wie sehr er es bedauert hatte, daß die Tochter seiner Schwester Marina so verrückt gewesen war, einen mittelmäßigen Offizier wie ihn zu heiraten, was er immer noch war, obwohl er dank seiner Einheirat in die Familie des Wohltäters ständig aufgestiegen war, bis an die Spitze der

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