Das Fest des Ziegenbocks
dämlichen Pfaffen«, knurrte Trujillo. »Gibt es eine Lösung oder gibt es keine?« »Natürlich gibt es eine, Chef.« Modesto keuchte; außer Stirn und Hals war auch seine Glatze schweißbedeckt. »Aber, wenn Sie gestatten, die Probleme mit der Kirche zählen nicht. Sie regeln sich von allein, wenn das Hauptproblem gelöst ist: die Gringos. Von denen hängt alles ab.«
»Dann gibt es keine Lösung. Kennedy will meinen Kopf. Da ich nicht die Absicht habe, ihm den zu schenken, wird der Kampf lange dauern.«
»Die Gringos fürchten nicht Sie, sondern Castro, Chef. Vor allem seit dem Fiasko in der Schweinebucht. Der Gedanke, der Kommunismus könnte sich in Lateinamerika ausbreiten, entsetzt sie wie nie zuvor. Jetzt sollte man ihnen zeigen, daß Sie in dieser Region der beste Schutz gegen die Roten sind, nicht Betancourt oder Figueres.« »Sie hatten Zeit genug, um das zu begreifen, Modesto.« »Man muß ihnen die Augen öffnen, Chef. Die Gringos sind manchmal schwer von Begriff. Betancourt, Figueres, Muños Marin anzugreifen reicht nicht aus. Effizienter wäre es, diskret den Kommunisten in Venezuela und Costa Rica zu helfen. Und den Unabhängigkeitsverfechtern in Puerto Rico. Wenn Kennedy sieht, daß die Guerrillabewegungen anfangen, diese Länder in Aufruhr zu versetzen, und welche Ruhe hier bei uns herrscht, wird er begreifen.« »Wir werden später weiter darüber reden«, schnitt ihm der Generalissimus abrupt das Wort ab.
Es verdarb ihm die Laune, ihn von vergangenen Dingen reden zu hören. Nur keine düsteren Gedanken. Er wollte die gute Stimmung bewahren, mit der er den Spaziergang begonnen hatte. Er zwang sich, an das Mädchen mit dem Plakat und den Blumen zu denken. ›Lieber Gott, tu mir diesen Gefallen. Ich muß heute nacht Yolanda Esterei nachlegen, nach allen Regeln der Kunst. Um zu wissen, daß ich nicht tot bin. Daß ich nicht alt bin. Daß ich dich weiterhin in der Aufgabe ersetzen kann, dieses verdammte Land von Idioten voranzubringen. Was können mir die Geistlichen, die Gringos, die Verschwörer, die Exilanten schon anhaben. Ich schaffe es ganz allein, mit diesem Dreck aufzuräumen. Aber um dieses Mädchen flachzulegen, brauche ich deine Hilfe. Sei nicht kleinlich, sei nicht knauserig. Gib sie mir, gib sie mir.‹ Er seufzte bei dem unangenehmen Verdacht, daß der, den er anflehte, wenn er existierte, ihn womöglich amüsiert aus der dunkelblauen Tiefe heraus beobachtete, in der die ersten Sterne erschienen.
Der Spaziergang über die Máximo Gómez kam einem Bad in Erinnerungen gleich. Die Häuser, an denen er vorbeiging, waren Symbole für herausragende Personen und Ereignisse seiner einunddreißig Jahre an der Macht. Das von Ramfis, auf dem Grundstück, auf dem sich das Haus von Anselmo Paulino befunden hatte, der zehn Jahre lang seine rechte Hand gewesen war, bis 1955, als er seinen gesamten Besitz konfisziert und ihn nach einem längeren Gefängnisaufenthalt mit einem Scheck über sieben Millionen Dollar für die geleisteten Dienste in die Schweiz abgeschoben hatte. Gegenüber dem Haus von Angelita und Pechito Leon Estévez wohnte einst die willfährige Bestie: General Ludovino Fernández, der Ströme von Blut für das Regime vergossen hatte und den er seiner politischen Gelüste wegen aus dem Weg räumen mußte. Neben der Villa Radhamés lagen die Gärten der Botschaft der Vereinigten Staaten, mehr als achtundzwanzig Jahre lang ein freundschaftlich verbundenes Haus, das jetzt ein Schlangennest geworden war. Da war das Baseballstadion, das er hatte anlegen lassen, damit Ramfis und Radhamés ihren Spaß hatten. Da waren, wie ein Zwillingspaar, das Haus von Balaguer und das der Nuntiatur, noch eines, das abweisend, undankbar und niederträchtig geworden war. Weiter vorne das beeindruckende Anwesen von General Espaillat, seinem ehemaligen Geheimdienstchef. Gegenüber, ein Stück weiter unten, das von General Rodríguez Méndez, dem Saufkumpan von Ramfis. Danach die jetzt verlassenen Botschaften Argentiniens und Mexikos und das Haus seines Bruders Negro. Und zum Schluß die Residenz der Familie Vicini, der Zuckerrohrmillionäre, mit ihrer weiten Espla-nade aus Rasenflächen und gepflegten Blumenbeeten, an der er in diesem Augenblick vorüberging.
Kaum hatte er die breite Avenida überquert, um auf der Meerseite der Uferpromenade in Richtung Obelisk weiterzu laufen, spürte er die Spritzer der Gischt. Er stützte sich auf den Mauerrand und hörte mit geschlossenen Augen dem Gekreisch und
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