Das Fest des Ziegenbocks
seine Stimme wiederzuerkennen. »Dieser Feigling, dieser Verräter, ja. Er hat uns angelogen. Töten Sie mich, General Trujillo, aber lassen Sie meine Frau und meine Kinder frei. Sie sind unschuldig.«
»Das wird nicht so einfach sein, du Schwachkopf«, antwortete Ramfis. »Bevor du in die Hölle kommst, mußt du erst mal durchs Fegefeuer, du Scheißkerl!« Ein zweiter Stromstoß warf ihn abermals gegen die Fesseln -er spürte, daß ihm die Augen aus den Höhlen traten, wie bei einem Frosch –, und er verlor das Bewußtsein. Als er es wiedererlangte, lag er auf dem Boden einer Zelle, nackt und mit Handschellen, inmitten einer schlammigen Lache. Ihn schmerzten die Knochen und die Muskeln, und er fühlte ein unerträgliches Brennen in den Testikeln und im Anus, als seien sie enthäutet. Aber noch beängstigender war der Durst; seine Kehle, seine Zunge, sein Gaumen nahmen sich wie glühende Haifischhaut aus. Er schloß die Augen und betete. Er konnte es, mit Pausen, in denen sein Kopf leer war; dann konzentrierte er sich wieder ein paar Sekunden lang auf das Gebet. Er betete zur Virgen de las Mercedes, zur gnadenreichen Jungfrau, und erinnerte sie daran, mit welcher Inbrunst er als junger Mann nach Jarabacoa gepilgert und auf den Heiligen Berg gestiegen war, um in ihrem Heiligtum zu ihren Füßen niederzuknien. Er bat sie demütig darum, seine Frau, Luisito und Carmen Elly vor den Grausamkeiten der Bestie zu beschützen. Inmitten des Schreckens fühlte er Dankbarkeit. Er konnte wieder beten.
Als er die Augen öffnete, erkannte er in dem nackten, ge
schundenen Körper voller Wunden und Blutergüsse, der neben ihm lag, seinen Bruder Guarionex. Wie hatten sie den armen Guaro zugerichtet, mein Gott! Der General hatte die Augen offen und schaute ihn an im runzligen Licht, das eine Glühbirne im Gang durch das vergitterte Türfenster sickern ließ. Erkannte er ihn?
»Ich bin der Türke, dein Bruder, ich bin Salvador«, sagte er, während er auf ihn zukroch. »Kannst du mich hören? Kannst du mich sehen, Guaro?«
Er versuchte eine endlos lange Zeit, sich mit seinem Bruder zu verständigen, aber es gelang ihm nicht. Guaro lebte; er bewegte sich, stöhnte, öffnete und schloß die Augen. Zuweilen gab er Ungereimtes von sich und erteilte seinen Untergebenen Befehle: »Bring dieses Maultier auf Trab, Unteroffizier!« Und sie hatten den Plan vor General Guarionex Estrella Sadhalá geheimgehalten, weil er in ihren Augen Trujillo viel zu nahe
stand! Eine böse Überraschung für den armen Guaro, wegen etwas verhaftet, gefoltert, verhört zu werden, von dem er nicht die geringste Ahnung hatte. Er versuchte es Ramfis und Johnny Abbes zu erklären, als sie ihn das nächste Mal in den Folterraum brachten und auf den Thron setzten, und er wiederholte und schwor es ihnen oft zwischen den Ohnmächten, die die Stromstöße auslösten, und während sie ihn mit diesen Ochsenziemern, diesen »Stierschwänzen« auspeitschten, die ihm die Haut in Fetzen abrissen. Sie schienen nicht an der Wahrheit interessiert zu sein. Er schwor ihnen bei Gott, daß weder Guarionex noch seine anderen Brüder und schon gar nicht sein Vater an der Verschwörung beteiligt waren, und er schrie sie an, daß es eine ungeheuerliche Ungerechtigkeit sei, was sie General Estrella Sadhalá angetan hatten, und daß sie im anderen Leben Rechenschaft dafür ablegen müßten. Sie hörten ihm nicht zu, mehr daran interessiert, ihn zu foltern, als ihn zu verhören. Erst nach einer endlosen Zeit – waren Stunden, Tage, Wochen seit seiner Festnahme vergangen? – wurde ihm bewußt, daß sie ihm mit gewisser Regelmäßigkeit eine Suppe mit Yuccastücken, eine Scheibe Brot und einen Krug mit Wasser gaben, in den die Wärter hineinzuspucken pflegten, bevor sie ihn ihm reichten. Es machte ihm nichts mehr aus. Er konnte beten. Er tat es in allen freien und klarsichtigen Momenten und manchmal sogar im Schlaf oder während einer Ohnmacht. Aber nicht, wenn sie ihn folterten. Auf dem Thron war er gelähmt von Schmerz und Angst. Ab und zu kam ein Arzt des SIM, hörte sein Herz ab und gab ihm eine Spritze, die ihn wieder zu Kräften brachte.
Eines Tages oder eines Nachts, denn im Verlies konnte man die Zeit nicht feststellen, holten sie ihn nackt und mit Handschellen aus der Zelle, ließen ihn die Treppe hinaufsteigen und stießen ihn in einen kleinen sonnenhellen Raum. Das weiße Licht machte ihn blind. Schließlich erkannte er das blasse, hübsche Gesicht von Ramfis Trujillo und
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