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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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rief abermals Oberst Jörge Moreno an. Der Bereitschaftswagen war gefunden worden: Die sechs Gefangenen waren geflohen, nachdem sie die drei Wachsoldaten umgebracht hatten. »Setzen Sie Himmel und Hölle in Bewegung, um die Flüchtlinge zu finden«, deklamierte er mit fester Stimme. »Sie haften mir für das Leben dieser Gefangenen, Herr Oberst. Sie müssen vor Gericht erscheinen, um nach Recht und Gesetz für dieses neue Verbrechen verurteilt zu werden.«
    Bevor er einschlief, ergriff ihn plötzlich ein Gefühl von Erbarmen. Nicht mit den Gefangenen, die Ramfis an diesem Nachmittag zweifellos persönlich umgebracht hatte, sondern mit den drei kleinen Soldaten, die Trujillos Sohn ebenfalls hatte töten lassen, um der Farce der Flucht einen wahren Anstrich zu geben. Drei arme Wachsoldaten, kaltblütig vernichtet, um ein Narrenstück glaubhaft zu machen, das niemand jemals glauben würde. Was für ein unnötiges Blutvergießen!
    Am nächsten Tag las er auf dem Weg zum Regierungspalast auf den inneren Seiten von Ei Carìbe über die Flucht der »Mörder Trujillos, nachdem sie heimtückisch die drei Wachen umgebracht hatten, die sie zurück nach La Victoria bringen sollten«. Zu dem von ihm gefürchteten Skandal kam es jedoch nicht; andere Ereignisse traten in den Vordergrund. Um zehn Uhr morgens sprengte ein heftiger Fußtritt die Tür seines Amtszimmers auf. Die Maschinenpistole in der Hand und büschelweise Granaten und Revolver am Gürtel, stürzte General Petán Trujillo herein, gefolgt von seinem Bruder Héctor, ebenfalls in Generalsuniform, und siebenundzwanzig bewaffneten Männern seiner persönlichen Wache, deren Gesichter ihm nicht nur kriminell, sondern auch alkoholisiert erschienen. Der Abscheu, den diese unzivilisierte Horde bei ihm erregte, war stärker als die Furcht.
    »Ich kann Ihnen keinen Platz anbieten, ich habe nicht so viele Stühle, tut mir leid«, entschuldigte sich der kleine Präsident, während er sich erhob. Er wirkte ruhig, und sein rundes kleines Gesicht lächelte höflich. »Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, Balaguer«, brüllte die Bestie Petán, Speichel spuckend. Er fuchtelte drohend mit seiner Maschinenpistole herum und hielt sie dem Präsidenten vors Gesicht. Dieser wich nicht zurück. »Schluß mit dem Blödsinn und der Heuchelei! So wie Ramfis gestern diese Dreckshunde erledigt hat, werden wir die erledigen, die noch frei herumlaufen. Angefangen bei den Judassen, du verräterischer Zwerg!« Auch diese vulgäre Null war ziemlich betrunken. Balaguer verbarg seine Empörung und seine Furcht mit absoluter Selbstbeherrschung. Gelassen wies er auf das Fenster: »Ich bitte Sie, mich zu begleiten, General Petán.« Dann wandte er sich an Héctor. »Sie auch, bitte.« Er ging voraus, und als er vor dem großen Fenster stand, zeigte er auf das Meer. Es war ein strahlend schöner Morgen. Vor der Küste waren ganz deutlich, glänzend, die Umrisse dreier nordamerikanischer Kriegsschiffe zu erkennen. Man konnte ihre Namen nicht lesen, aber man sah die langen Geschützläufe des mit Raketen ausgerüsteten Kreuzers Uttle Rock und der Flugzeugträger Valley Forge und Franklin D. Roosevelt, die auf die Stadt zielten.
    »Sie warten darauf, daß Sie die Macht ergreifen, um mit dem Beschüß zu beginnen«, sagte der Präsident sehr langsam. »Sie warten darauf, daß Sie ihnen den Vorwand liefern, uns abermals zu besetzen. Wollen Sie als die Dominikaner in die Geschichte eingehen, die eine zweite Besetzung der Republik durch die Yankees zuließen? Wenn Sie das wollen, dann schießen Sie und machen Sie einen Helden aus mir. Mein Nachfolger wird nicht eine Stunde lang auf diesem Platz sitzen.« Da sie ihn diese ganzen Sätze hatten aussprechen lassen, war es unwahrscheinlich, sagte er sich, daß sie ihn umbringen würden. Petán und Negro flüsterten miteinander; sie redeten beide gleichzeitig, ohne sich zuzuhören. Die Schläger und Leibwächter warfen sich verwirrte Blicke zu. Schließlich befahl Petán seinen Männern hinauszugehen. Als er sich mit den beiden Brüdern allein im Büro sah, schloß er, daß er die Partie gewonnen hatte. Sie setzten sich ihm gegenüber. Die armen Teufel! Es war ihnen anzusehen, wie unbehaglich ihnen zumute war. Sie wußten nicht, wo sie anfangen sollten. Man mußte ihnen die Aufgabe erleichtern. »Das Land erwartet eine Geste von Ihnen«, sagte er freundlich. »Daß Sie so selbstlos und patriotisch handeln wie General Ramfis. Ihr Neffe hat das Land verlassen, um
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