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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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wird jetzt geschehen, Herr General?« »Daß Sie von diesem Augenblick an allein im Raubtierkäfig zurückbleiben, Herr Präsident«, feixte Ramfis. »Viel Glück.«
    Dr. Balaguer schloß die Augen. Die nächsten Stunden, Tage würden entscheidend sein. Was hatte der Sohn Trujillos vor? Fortzugehen? Sich eine Kugel zu verpassen? Er würde nach Paris gehen, zu seiner Frau, seiner Mutter und seinen Geschwistern, und sich mit Partys, Polospielen und Frauen in dem schönen Haus trösten, das er sich in Neuilly gekauft hatte. Er hatte an Geld außer Landes geschafft, was er konnte; er ließ einigen Immobilienbesitz zurück, der früher oder später beschlagnahmt werden würde. Nun ja, das war kein Problem. Ein Problem waren die irrationalen Bestien. Die Brüder des Generalissimus würden bald beginnen, um sich zu schießen, das einzige, auf das sie sich verstanden. Auf allen Abschußlisten, die Petán den Gerüchten zufolge angefertigt hatte, stand Balaguer an erster Stelle. Es galt also, wie ein von ihm gern zitiertes Sprichwort sagte, »diesen Fluß langsam und von Stein zu Stein zu durchqueren«. Er empfand keine Angst, nur Traurigkeit darüber, daß das kunstvolle Uhrwerk, das er in Gang gesetzt hatte, durch die Kugel eines Killers zerstört werden konnte.
    Im Morgengrauen des nächsten Tages weckte ihn sein Innenminister, um ihm mitzuteilen, daß ein Trupp Militärs Tru jillos Leichnam aus der Krypta der Kirche in San Cristóbal geholt hatte. Sie hatten ihn nach Boca Chica gebracht, wo an der privaten Anlegestelle von General Ramfis die Jacht Angelita lag.
    »Ich habe nichts gehört, Herr Minister«, unterbrach ihn Balaguer. »Sie haben mir auch nichts gesagt. Ich rate Ihnen, noch ein paar Stunden zu schlafen. Uns erwartet ein sehr langer Tag.«
    Entgegen dem Rat, den er dem Minister gegeben hatte, begab er sich nicht zur Ruhe. Ramfis würde nicht gehen, ohne die Mörder seines Vaters liquidiert zu haben, und dieser Mord konnte die mühsamen Anstrengungen zunichte machen, die er in den letzten Monaten unternommen hatte, um die Welt davon zu überzeugen, daß sich die Republik mit ihm als Präsidenten zu einer Demokratie entwickelte, ohne den Bürgerkrieg und das Chaos, wie sie die Vereinigten Staaten und die herrschende Klasse des Landes fürchteten. Aber was konnte er tun? Jeder die Gefangenen betreffende Befehl von ihm, der den Anweisungen von Ramfis widerspräche, würde unbeachtet bleiben und offenbaren, daß er der geringsten Autorität gegenüber den Streitkräften entbehrte. Dennoch geschah mysteriöserweise weder am 16. noch am 17. November etwas, abgesehen von zahlreichen Gerüchten über unmittelbar bevorstehende bewaffnete Erhebungen und Massaker an Zivilisten. Er erledigte weiterhin die laufenden Angelegenheiten, als herrschte völlige Ruhe im Land. Am frühen Abend des 17. wurde er informiert, daß Ramfis sein Strandhaus verlassen habe. Wenig später habe man ihn betrunken aus einem Auto steigen und unter Schimpfworten eine Granate – die nicht explodierte – gegen die Fassade des Hotels Embajador schleudern sehen. Seitdem war sein Aufenthaltsort unbekannt. Am nächsten Morgen verlangte eine Abordnung der Union Cívica Nacional unter der Führung von Angel Se-vero Cabral, sofort vom Präsidenten empfangen zu werden: es gehe um Leben und Tod. Er empfing sie. Severo Cabral war außer sich. Er fuchtelte mit einem Blatt Papier herum, das Huáscar Tejeda vollgekritzelt und aus La Victoria an seine Frau hinausgeschmuggelt hatte; darin teilte er ihr mit, daß die sechs des Mordes an Trujillo Angeklagten (einschließlich Modesto Díaz und Tunti Cáceres) von den übrigen politischen Gefangenen getrennt worden seien, um in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden. »Sie werden uns umbringen, mein Liebling«,
    endete das Schreiben. Der Führer der Union Cívica forderte, daß die Gefangenen der Justiz zu übergeben oder durch Dekret des Präsidenten freizulassen seien. Die Ehefrauen der Häftlinge demonstrierten vor dem Regierungspalast, gemeinsam mit ihren Anwälten. Die internationale Presse war alarmiert worden, ebenso wie das State Department und die westlichen Botschaften. Ein besorgter Dr. Balaguer versicherte ihnen, er werde die Sache persönlich in die Hand nehmen. Er werde kein Verbrechen erlauben. Nach seinen Informationen habe die Verlegung der sechs Verschwörer eher das Ziel, das Untersuchungsverfahren zu beschleunigen. Es handle sich um eine bloße Formalität, um eine Rekonstruktion des

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