Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Verbrechens, nach der das Verfahren unverzüglich beginnen würde. Selbstverständlich mit Beobachtern des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, die er selbst dazu einladen werde.
    Kaum waren die Parteiführer der Union Cívica gegangen, rief er den Generalstaatsanwalt der Republik, Dr. JoséManuel Machado, an. Wußte er, warum der Chef der Nationalen Polizei, Marcos A. Jörge Moreno, die Verlegung von Estrella Sadhalá, Huáscar Tejeda, Fifi Pastoriza, Pedro Livio Cedeno, Tunti Cáceres und Modesto Díaz in die Zellen des Justizpalastes angeordnet hatte? Der Generalstaatsanwalt der Republik wußte nichts. Er reagierte empört: Jemand benutze unbefugt den Namen der Justiz, kein Richter habe eine erneute Rekonstruktion des Verbrechens angeordnet. Der Präsident erklärte, dies könne nicht geduldet werden. Er werde den Justizminister sofort anweisen, gründliche Nachforschungen anzustellen, Verantwortlichkeiten zu klären und Beschuldigungen gegen die Betreffenden zu erheben. Um schriftliche Beweise für das zu hinterlassen, was er tat, diktierte er seinem Sekretär ein Memo randum, das er auf schnellstem Wege zum Justizministerium bringen ließ. Dann rief er den Minister an. Dieser war verstört:
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Herr Präsident. Ich habe die Frauen der Häftlinge vor der Tür. Mir wird von allen Seiten Druck gemacht, ich soll informieren, aber ich weiß nichts. Wissen Sie, warum sie in die Zellen des Justizpalastes verlegt wurden? Niemand ist imstande, mir das zu erklären. Sie bringen sie jetzt zur Straße, zu einer weiteren Rekonstruktion des Verbrechens, die niemand angeordnet hat. Es ist unmöglich, dorthin zu kommen, Soldaten vom Stützpunkt San Isidro haben das Gebiet abgeriegelt. Was soll ich tun?«
    »Begeben Sie sich persönlich hin und verlangen Sie eine Erklärung«, wies ihn der Präsident an. »Es muß unbedingt Zeugen dafür geben, daß die Regierung alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um zu verhindern, daß gegen das Gesetz verstoßen wird. Lassen Sie sich von den Vertretern der Vereinigten Staaten und Großbritanniens begleiten.«
    Dr. Balaguer rief persönlich John Calvin Hill an und bat ihn, die Intervention des Justizministers zu unterstützen. Zugleich informierte er ihn, daß, falls General Ramfis, wie es den Anschein hatte, Vorbereitungen traf, das Land zu verlassen, die Brüder Trujillos zur Tat schreiten würden. Er setzte die Erledigung laufender Angelegenheiten fort, scheinbar ganz in Anspruch genommen von der kritischen Finanzlage. Er verließ das Büro nicht zur Mittagessenszeit, und weigerte sich, Anrufe entgegenzunehmen oder Besuche zu empfangen, solange er mit dem Finanzminister und dem Gouverneur der Zentralbank arbeitete. Als es Abend wurde, reichte sein Sekretär ihm eine Note des Justizministers, in der dieser ihn informierte, er und der amerikanische Konsul seien von bewaffneten Soldaten der Luftwaffe daran gehindert worden, sich dem Ort der Rekonstruktion des Verbrechens zu nähern. Er bestätigte ihm, daß niemand im Ministerium, in der Staatsanwaltschaft oder in den Gerichten diese Prozedur angeordnet habe noch über sie informiert worden sei; es handle sich um eine rein militärische Entscheidung. Als er um halb neun nach Hause kam, erhielt er einen Anruf des Polizeichefs, Oberst Marcos A. Jörge Moreno. Der Bereitschaftswagen mit drei bewaffneten Wachsoldaten, der die Gefangenen nach Beendigung der juristischen Formalität nach La Victoria zurückbringen sollte, war verschwunden. »Setzen Sie alles daran, sie zu finden, Herr Oberst. Mobilisieren Sie alle erforderlichen Kräfte«, befahl ihm der Präsident. »Rufen Sie mich jederzeit an.« Seinen Schwestern, die durch Gerüchte beunruhigt waren, die Trujillo-Brüder hätten an diesem Nachmittag die Mörder des Generalissimus umgebracht, sagte er, er wisse von nichts. Wahrscheinlich Erfindungen der Extremisten, um das Klima der Unruhe und Unsicherheit weiter anzuheizen. Während er sie mit Lügen beruhigte, stellte er Vermutungen an: Ramfis würde heute abend abreisen, wenn er es nicht schon getan hatte. Die Konfrontation mit den Brüdern Trujillos würde also im Morgengrauen stattfinden. Würden sie ihn festnehmen lassen? Würden sie ihn umbringen? Ihre Spatzengehirne waren imstande, zu glauben, daß sie damit einen geschichtlichen Mechanismus aufhalten konnten, der sie sehr bald aus der dominikanischen Politik vertreiben würde. Er fühlte keine Unruhe, nur Neugier.
    Als er sich den Pyjama anzog,

Weitere Kostenlose Bücher