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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zu Hause sind«, sagte Rainieri statt einer Begrüßung. »Es gibt keine zwei Guarina Tessóns in Ciu-dad Trujillo, das konntest nur du sein.« Er war sehr ruhig und sogar heiter in seiner frisch gebügelten, nach Lavendel duftenden Guayabera. Er fuhr Imbert durch abgelegene Straßen, auf großen Umwegen zu seiner entfernten Residenz, denn auf den Hauptstraßen gab es Sperren, an denen die Fahrzeuge halten mußten und durchsucht wurden. Es war noch keine Stunde her, daß der Tod Trujillos offiziell bekanntgegeben worden war. Mißtrauen lag in der Luft, als warteten alle auf eine Explosion. Stilvoll wie immer, stellte der Botschafter ihm keine einzige Frage über die Ermordung Trujillos oder über seine Mitverschwörer. Unbefangen, als spräche er vom nächsten Tennismatch im Country Club, erklärte er: »So, wie die Dinge liegen, ist es undenkbar, daß irgendeine Botschaft dir Asyl gewährt. Es würde auch nicht viel nützen. Die Regierung, falls es noch eine Regierung gibt, würde es nicht respektieren. Sie würden dich mit Gewalt herausholen, wo du auch wärst. Im Augenblick bleibt dir nichts anderes übrig, als dich zu verstecken. Im italienischen Konsulat, wo ich Freunde habe, herrscht zuviel Betrieb von Angestellten und Besuchern. Aber ich habe jemanden gefunden, es ist absolut sicher. Er hat es schon einmal getan, als Yuyo d’Alessandro verfolgt wurde. Er hat nur eine einzige Bedingung gestellt. Niemand darf es wissen, nicht einmal Guarina. Zu ihrer Sicherheit vor allem.«
    »Natürlich«, murmelte Tony Imbert, erstaunt, daß dieser Mann, mit dem ihn eine oberflächliche Bekanntschaft verband, aus eigenem Antrieb ein solches Risiko einging, um sein Leben zu retten. Er war so verwirrt über Quecos tollkühne Großzügigkeit, daß er keine Worte fand, ihm zu danken.
    Im Haus der Rainieris konnte er seine Frau und seine Tochter umarmen. In Anbetracht der Umstände waren sie sehr gefaßt. Aber als er sie in den Armen hielt, spürte er, wie Leslies kleiner Körper zitterte. Er blieb mit ihnen und den Rainieris fast zwei Stunden zusammen. Seine Frau hatte ihm einen Handkoffer mit sauberer Kleidung und Rasierutensilien gebracht. Sie erwähnten Trujillo nicht. Guarina erzählte ihm, was sie von den Nachbarinnen erfahren hatte. Ihr Haus war im Morgengrauen von Polizisten in Uniform und in Zivil gestürmt worden; sie hatten es geleert und alles kurz und klein geschlagen, was sie nicht in zwei Lieferwagen mitgenommen hatten. Als es Zeit war, deutete der Diplomat mit einer raschen Handbewegung auf seine Uhr. Er umarmte und küßte Guarina und Leslie und folgte Francisco Rainieri durch die Hintertür auf die Straße. Sekunden später bremste ein kleines Fahrzeug mit abgeblendeten Scheinwerfern vor ihnen.
    »Auf Wiedersehen und viel Glück«, verabschiedete ihn Rainieri mit einem Händedruck. »Mach dir keine Sorgen um deine Familie. Es wird ihr an nichts fehlen.« Imbert stieg in das Fahrzeug und setzte sich neben den Fahrer. Es war ein junger Mann in Hemd und Krawatte, aber ohne Jackett. Er stellte sich in tadellosem, wenn auch italienisch gefärbtem Spanisch vor:
    »Mein Name ist Cavaglieri, ich bin Beamter der italienischen Botschaft. Meine Frau und ich werden tun, was wir können, damit Ihr Aufenthalt in unserer Wohnung so angenehm wie möglich ist. Seien Sie unbesorgt, bei mir zu Hause gibt es keine indiskreten Zeugen. Wir leben allein. Wir haben weder Köchin noch Dienstmädchen. Meine Frau liebt die Hausarbeit. Und wir beide kochen gern.«
    Er lachte, und Antonio Imbert dachte, daß die Höflichkeit von ihm verlangte, ein kleines Lachen zu versuchen. Das Paar lebte im obersten Stock eines neuen Wohnhauses, nicht weit von der Galle Mahatma Gandhi und dem Haus Salvador Es-trella Sadhalás entfernt. Senora Cavaglieri war noch jünger als ihr Mann – eine schmale junge Frau mit mandelförmigen Augen und schwarzem Haar – und empfing ihn mit zwangloser, heiterer Freundlichkeit, wie einen alten Freund der Familie, der zum Wochenende auf Besuch kommt. Sie schien sich überhaupt nicht zu fürchten, einen Unbekannten bei sich aufzunehmen, einen Mörder des allmächtigen Gebieters des Landes, jemanden, den Tausende von Soldaten und Polizisten voll Gier und Haß suchten. In den sechs Monaten und drei Tagen, in denen er mit ihnen zusammenlebte, gab ihm keiner der Gastgeber auch nur ein einziges Mal das Gefühl – und dabei war er empfindlich, seine Lage machte ihn anfällig dafür, Gespenster zu sehen –, daß seine

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