Das Fest des Ziegenbocks
la Maza auf den Arm. »Mir geht die Zunge durch, und ich rede Unsinn. Du hast recht. Jeder könnte von uns sagen, was ich gerade
über
Miguel Angel gesagt habe. Ich habe nichts gesagt, und ihr habt nichts gehört.«
Aber er hatte es gesagt, denn trotz seiner gelassenen, vernünftigen Art, die allen gefiel, war Salvador Estrella Sadhalá imstande, die grausamsten Dinge zu sagen, wenn ihn plötzlich sein Gerechtigkeitsgefühl packte. Wie bei dem Streit mit seinem lebenslangen Freund, bei dem Antonio de la Maza ihm ohne weiteres einen Schuß hätte verpassen können. »Ich würde meinen Bruder nicht für ein paar Pfennige verkaufen.« Dieser Satz, der sie mehr als sechs Monate lang getrennt hatte, in denen sie sich weder sahen noch miteinander sprachen, suchte Antonio immer wieder heim, wie ein regelmäßig wiederkehrender Alptraum. Dann mußte er viele Gläser Rum trinken, eines nach dem anderen. Obwohl mit der Betrunkenheit diese blinde Wut in ihm hochstieg, die ihn streitsüchtig machte, ihn dazu trieb, zu provozieren und den Nächstbesten mit Fußtritten und Fausthieben zu traktieren.
Er war vor wenigen Tagen siebenundvierzig Jahre alt geworden und damit einer der ältesten der Gruppe von sieben Männern, die sich an der Straße nach San Cristóbal postiert hatten und auf Trujillo warteten. Denn außer den vieren, die in dem Chevrolet hockten, befanden sich zwei Kilometer weiter vorne, in einem von Estrella Sadhalá geliehenen Auto, Pedro Livio Cedeno und Huáscar Tejeda Pimentel und noch einen Kilometer weiter vorne, allein in seinem eigenen Wagen, Roberto Pastoriza Neret. Auf diese Weise würden sie ihm den Weg versperren und ihn von vorne und von hinten unter dichten Beschüß nehmen, ohne ihm einen Ausweg zu lassen. Pedro Livio und Huáscar dürften genauso unruhig sein wie sie vier. Und mehr noch Roberto, der niemanden hatte, mit dem er sprechen und Ermutigungen austauschen konnte. Würde er kommen? Ja, er würde kommen. Und der lange Leidensweg, aus dem Antonios Leben seit Tavitos Tod bestanden hatte, würde ein Ende haben. Der Mond, rund wie eine Münze, leuchtete, umgeben von einem Sternenmantel, und verlieh den Wipfeln der nahen Kokospalmen, die Antonio sich im Takt der Brise wiegen sah, einen silbrigen Glanz. Dies war verdammtnochmal trotz allem ein schönes Land. Und es wäre noch viel schöner, wenn der Teufel tot wäre, der ihm in diesen einunddreißig Jahren mehr Gewalt angetan, es mehr vergiftet hatte als die Besetzung durch Haiti, die spanischen und nordamerikanischen Invasionen, die Bürgerkriege und die Kämpfe zwischen Fraktionen und Caudillos in dem ganzen Jahrhundert seiner Existenz als Republik, mehr als alles Unheil – Erdbeben, Zyklone –, das vom Himmel, vom Meer oder aus der Tiefe der Erde über die Dominikaner gekommen war. Was er ihm nicht verzeihen konnte, war vor allem, daß der Ziegenbock so, wie er dieses Land prostituiert und moralisch korrumpiert hatte, auch Antonio de la Maza prostituiert und moralisch korrumpiert hatte.
Er verbarg seine Unruhe vor den Gefährten, indem er eine neue Zigarette anzündete. Er rauchte, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen, stieß den Rauch durch Mund und Nase aus, während er mit den Fingern über das Gewehr mit abgesägtem Lauf strich und an die stahlverstärkten Geschosse dachte, die sein spanischer Freund Bissié, ein Wäffenexperte und hervorragender Schütze, den er durch einen anderen Verschwörer, Manuel Ovín, kennengelernt hatte, speziell für die Sache heute abend angefertigt hatte. Dieser Freund war fast so gut wie Antonio de la Maza selbst, der auf dem Familienbesitz in Moca von Kindesbeinen an Eltern, Brüder, Verwandte und Freunde mit seiner Zielsicherheit verblüfft hatte. Deshalb nahm er diesen privilegierten Platz ein, rechts von Imbert, um als erster zu schießen. Die Gruppe, die so ausgiebig über alles diskutiert hatte, war sich darüber sofort einig geworden: Antonio de la Maza und Leutnant Amado García Guerrero, die besten Schützen, sollten die vom CIA den Verschwörern übergebenen Waffen tragen und die Sitze auf der rechten Seite einnehmen, um gleich mit dem ersten Schuß zu treffen.
Es gereichte Moca, seiner Heimat, und seiner Familie zum Stolz, daß die Familie de la Maza vom ersten Augenblick an – 1930 – gegen Trujillo gewesen war. Das verstand sich von
selbst. In Moca waren alle, vom Reichsten bis zum elendsten Tagelöhner, horacistas, denn Präsident Horacio Vázquez stammte aus Moca und war der Bruder
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