Das Fest des Ziegenbocks
sagte er, als spräche er von einer anderen Person. »Für Sie wäre es ein großes Unglück.« »Auch für das Land, Exzellenz.«
»Deshalb mache ich weiter«, nickte Trujillo. »Sonst hätte ich mich zurückgezogen, wie meine Yankee-Freunde William Pawley, General Clark und Senator Smathers mir im Auftrag von Präsident Eisenhower rieten. ›Gehen Sie als großmütiger Staatsmann in die Geschichte ein, der den jungen Leuten das Steuer überließ.‹ So äußerte sich Smathers mir gegenüber, der Freund von Roosevelt. Es war eine Botschaft des Weißen Hauses. Deshalb kamen sie her. Um mich zu bitten, zu gehen, und mir Asyl in den Vereinigten Staaten anzubieten. ›Dort wird Ihr Vermögen in Sicherheit sein.‹ Diese Idioten verwechseln mich mit Batista, mit Rojas Pinilla, mit Pérez Jiménez. Mich werden sie nur tot hier raustragen.«
Der Wohltäter ließ abermals seine Gedanken schweifen, denn er mußte an Guadalupe denken, Lupe für die Freunde, das mexikanische Mannweib, das Johnny Abbes in der geheimnisvollen, abenteuerlichen Zeit seines Lebens in Mexiko geheiratet hatte, als er detaillierte Berichte über das Tun und Lassen der dominikanischen Exilanten an Navajita schickte und zugleich in revolutionären Zirkeln verkehrte, wie dem von Fidel Castro, Che Guevara und den Kubanern des 26. Juli, die die Expedition der Granma vorbereiteten, und mit Leuten wie Vicente LombardoToledano, der eng mit der mexikanischen Regierung verbunden und sein Beschützer gewesen war. Der Generalissimus hatte nie Zeit gehabt, ihn in aller Ruhe zu dieser Etappe seines Lebens zu befragen, in der der Oberst seine Berufung und seinTalent für Spionage und geheime Operationen entdeckt hatte. Ein reizvolles Leben, ohne Zweifel, voller Anekdoten. Warum hatte er wohl diese fürchterliche Frau geheiratet?
»Da ist etwas, das ich immer vergesse, Sie zu fragen«, sagte er mit der Unverblümtheit, die er seinen Mitarbeitern gegenüber an den Tag legte. »Wieso haben Sie eigentlich eine so häßliche Frau geheiratet?«
Er entdeckte nicht die winzigste Regung im Gesicht von Abbes García, die Überraschung ausgedrückt hätte. »Nicht aus Liebe, Exzellenz.«
»Das habe ich immer gewußt«, sagte der Wohltäter lächelnd. »Sie ist nicht reich, es war also keine Geldheirat.« »Aus Dankbarkeit. Lupe hat mir einmal das Leben gerettet. Sie hat für mich getötet. Sie arbeitete als Sekretärin für Lombardo Toledano, als ich gerade nach Mexiko gekommen war. Dank Vicente begann ich zu begreifen, was Politik ist. Vieles von dem, was ich gemacht habe, wäre ohne Lupe nicht möglich gewesen, Exzellenz. Sie weiß nicht, was Angst ist. Außerdem hat sie einen Instinkt, der bisher immer funktioniert hat.«
»Ich weiß, daß sie Mumm hat, daß sie sich schlagen kann, daß sie mit einer Pistole herumläuft und in Hurenhäuser geht wie die Männer«, sagte der Generalissimus bestens gelaunt. »Ich habe sogar gehört, daß Puchita Brazobán kleine Mädchen
für sie reserviert. Was ich jedoch nicht fassen kann, ist, daß Sie dieser Mißgeburt Kinder machen konnten.« »Ich versuche, ein guter Ehemann zu sein, Exzellenz.« Der Wohltäter brach in Lachen aus, laut wie in früheren Zeiten.
»Sie können witzig sein, wenn Sie wollen«, sagte er anerkennend. »Sie haben sie also aus Dankbarkeit gevögelt. Dann steht Ihnen der Stummel also, wann Sie wollen.«
»Das ist so eine Redensart, Exzellenz. Um die Wahrheit zu sagen, ich liebe Lupe nicht, und Lupe liebt mich auch nicht. Zumindest nicht mit der üblichen Liebe. Wir sind durch etwas Stärkeres verbunden. Durch die Gefahren, die wir Schulter an Schulter geteilt haben, den Tod vor Augen. Und durch das viele Blut, mit dem wir beide uns befleckt haben.«
Der Wohltäter nickte. Er verstand, was er sagen wollte. Er hätte verdammt gern so eine Frau wie diese Vogelscheuche gehabt. Er hätte sich nicht so allein gefühlt bei manchen Entscheidungen, die es zu treffen galt. Nichts verband so stark wie Blut, das stimmte. Das mußte der Grund sein, warum er sich so an dieses Land von Undankbaren, Feiglingen und Verrätern gekettet fühlte. Denn er hatte sich oft mit Blut befleckt, um es aus Rückständigkeit, Chaos, Unwissenheit und Barbarei herauszuführen. Würden diese Idioten es ihm in Zukunft danken?
Er fühlte erneut, wie Niedergeschlagenheit ihn erfaßte. Er tat, als wollte er auf die Uhr schauen, und warf einen verstohlenen Blick auf seine Hose. Es gab nicht den kleinsten Fleck im Schritt oder am
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