Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Dominikanische Republik von dieser Gestalt zu befreien, die ihr das Blut aussaugte und sie erdrückte, war in den vierziger Jahren ein fanatischer Anhänger des Wohltäters gewesen, imstande, jedes Verbrechen zu begehen für den Mann, der in seinen Augen der Retter des Vaterlandes war, der Staatsmann, der die zuvor von den Yankees verwalteten Zölle wieder in dominikanische Hände legte, der das Problem der Verschuldung gegenüber den Vereinigten Staaten löste – weshalb ihn der Kongreß zum »Wiederhersteller der finanziellen Unabhängigkeit« ernannte – , der moderne, professionelle Streitkräfte schuf, die am besten ausgerüsteten in der ganzen Karibik. In diesen Jahren hätte Antonio es nicht gewagt, sich Juan Tomás Díaz gegenüber negativ über Trujillo zu äußern. Juan Tomás erklomm die militärische Stufenleiter, bis er zum Drei-Sterne-General ernannt wurde und das Kommando über die Militärregion La Vega erhielt, wo ihn die Invasion vom 14. Juni 1959 überraschte, Beginn seines Sturzes ins Nichts. Zu jener Zeit machte er sich schon keine Illusionen mehr über das Regime. Im kleinsten Kreis, wenn er sicher war, daß niemand sie hören konnte, während der Jagdausflüge in den Bergen, in Moca oder La Vega, beim sonntäglichen Mittagessen mit der Familie gestand er Antonio, wie sehr ihn alles mit Scham erfülle, die Morde, die Verschwundenen,
    die Folter, die Unsicherheit des Lebens, die Korruption und Auslieferung von Millionen Dominikanern mit Körper, Seele und Gewissen an einen einzigen Mann. Antonio de la Maza war im Herzen nie ein Anhänger Trujillos gewesen. Nicht als Militäradjutant und auch nicht danach, als er im zivilen Bereich für ihn gearbeitet, das heißt die Sägewerke der Familie Trujillo in Restauración verwaltet hatte, nachdem er ihn um Erlaubnis gebeten hatte, die Armee zu verlassen. Er preßte angewidert die Zähne zusammen: nie hatte er aufhören können, für den Chef zu arbeiten. Als Militär oder als Zivilperson trug er nun seit mehr als zwanzig Jahren zum Vermögen und zur Macht des Wohltäters und Vaters des neuen Vaterlandes bei. Das war das große Fiasko seines Lebens. Nie war er fähig gewesen, die Fallen zu vermeiden, die Trujillo ihm stellte. Obwohl er ihn mit all seinen Kräften haßte, hatte er ihm weiter gedient, sogar nachTavitos Tod. Deshalb die Beleidigung des Türken: »Ich würde meinen Bruder nicht für ein paar Pfennige verkaufen.« Er hatte Tavito nicht verkauft. Er ließ sich nichts anmerken, schluckte die Galle hinunter. Was konnte er anderes tun? Sich von Johnny Abbes’ caliés umbringen lassen, um mit ruhigem Gewissen zu sterben? Antonio ging es nicht um ein gutes Gewissen. Es ging ihm darum, sich zu rächen und Tavito zu rächen. Um das zu erreichen, hatte er in diesen vier Jahren alle Scheiße der Welt geschluckt, was so weit gegangen war, daß er sich von einem seiner liebsten Freunde diesen Satz hatte anhören müssen, den sicher zahlreiche Personen hinter seinem Rücken wiederholten.
    Er hatte Tavito nicht verkauft. Dieser jüngere Bruder war wie ein enger Freund gewesen. Mit seiner Naivität, mit seiner jugendlichen Unschuld war Tavito, im Unterschied zu Antonio, sehr wohl ein überzeugter Trujillo-Anhänger, einer von denen, für die der Chef ein höheres Wesen war. Sie stritten sich oft, denn Antonio empörte es, daß sein jüngerer Bruder ihm ständig damit in den Ohren lag, daß Trujillo für die Republik ein Geschenk des Himmels sei. Nun ja, es stimmte, der Generalissimus erwies Tavito so manchen Gefallen. Dank eines Befehls von ihm wurde er in die Luftwaffe aufgenommen und lernte fliegen – sein Kindheitstraum – , und später stellte man ihn als Piloten der Dominikanischen Fluggesellschaft ein, was ihm zu seiner Begeisterung erlaubte, oft nach Miami zu reisen, wo er Blondinen flachlegen konnte. Zuvor war Tavito Militärattache in London gewesen. Dort hatte er bei einem alkoholisierten Streit den dominikanischen Konsul Luis Bernardino durch einen Schuß getötet. Trujillo bewahrte ihn vor dem Gefängnis, indem er diplomatische Immunität für ihn forderte und dem Gericht in Ciudad Trujillo, das über ihn urteilte, befahl, ihn freizusprechen. Ja, Tavito hatte seine Gründe, Trujillo dankbar zu sein, und war, wie er zu Antonio sagte, »bereit, mein Leben für den Chef zu geben und alles zu tun, was er mir befiehlt«. Ein prophetischer Satz, wahrhaftig.
    ›Ja, du hast das Leben für ihn gegeben‹, dachte Antonio, während er an der Zigarette

Weitere Kostenlose Bücher