Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Maza.«
    Das war sein erstes Zugeständnis, seine erste Niederlage von der Hand dieses meisterhaften Manipulierers der Unbedarften, Narren und Idioten, dieses schlauen Profiteurs der Eitelkeit, Habsucht und Dummheit der Menschen. Wie viele Jahre war er weniger als einen Meter von Trujillo entfernt gewesen? Genau wie Amadito in den letzten beiden Jahren. Wieviel Tragödie hättest du diesem Land, der Familie de la Maza erspart, wenn du damals getan hättest, was du jetzt tun willst. Tavito wäre sicher noch am Leben.
    In seinem Rücken hörte er Amadito und den Türken, die sich unterhielten; ab und zu mischte sich Imbert in das Gespräch. Sicher waren sie nicht erstaunt, daß Antonio schwieg; er war immer wortkarg gewesen, aber seine Einsilbigkeit war zur Stummheit geworden nach dem Tod von Tavito, einer Katastrophe, die ihn, wie er wußte, in irreversibler Weise geprägt, ihn in einen Mann mit einer fixen Idee verwandelt hatte: den Ziegenbock töten. »Juan Tomás muß mit seinen Nerven schlimmer dran sein als wir«, hörte er denTürken sagen. »Es gibt nichts Schrecklicheres als Warten. Kommt er nun oder nicht?« »Jeden Augenblick«, sagte Amadito beschwörend. »Glaubt mir, verdammtnochmal.«
    Ja, General Juan Tomás dürfte in diesem Moment in seinem Haus in Gazcue an den Nägeln kauen und sich fragen, ob endlich geschehen war, was Antonio und er erträumt, ausgemalt, erdacht, lebendig und geheimgehalten hatten seit genau vier Jahren und vier Monaten. Das heißt, seit dem Tag, an dem Antonio nach diesem gottverdammten Gespräch mit Trujillo, als Tavitos Leichnam gerade erst begraben worden war, in sein Auto sprang und mit 120 Stundenkilometern über die Straßen raste, um Juan Tomás auf seinem Landgut in La Vega aufzusuchen.
    »Ich bitte dich, Juan Tomás, bei den zwanzig Jahren Freundschaft, die uns verbinden, hilf mir. Ich muß ihn umbringen. Ich muß Tavito rächen!«
    Der General hielt ihm die Hand vor den Mund. Er blickte sich um und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, das Hauspersonal könne sie hören. Dann führte er ihn hinter die Ställe, wo sie Zielschießen zu veranstalten pflegten. »Wir werden es gemeinsam tun, Antonio. Um Tavito und so viele andere Dominikaner zu rächen, wegen der Schande, die wir in uns tragen.«
    Antonio und JuanTomás waren enge Freunde seit der Zeit de la Mazas als Militäradjutant des Wohltäters. Das war das einzig Gute dieser zwei Jahre, an das er sich erinnern konnte, zwei Jahre, in denen er, als Leutnant, als Hauptmann mit dem Generalissimus zusammengelebt und ihn begleitet hatte: auf seinen Rundreisen durch das Landesinnere, bei seinen Fahrten vom Regierungspalast zum Kongreß, zur Pferderennbahn, zu Empfängen und Veranstaltungen, zu politischen Versammlungen und galanten Abenteuern, zu Besuchen und geheimen Zusammenkünften mit Freunden, Verbündeten und Kumpanen, zu öffentlichen, privaten oder streng geheimen Treffen. Obwohl Antonio nie ein radikaler Trujillo-Anhänger wurde, wie es Juan Tomás Díaz damals war, und insgeheim etwas vom Ressentiment aller horacistas gegenüber dem Mann bewahrte, der die politische Laufbahn des Präsidenten Horacio Vázquez beendet hatte, konnte er sich in jenen Jahren nicht der Anziehungskraft entziehen, die von diesem unermüdlichen Mann ausging, der imstande war, zwanzig Stunden ohne Pause zu arbeiten und nach zwei oder drei Stunden Schlaf im Morgengrauen abermals in jugendlicher Frische den Tag zu beginnen. Der der volkstümlichen Mythologie zufolge nicht schwitzte, nicht schlief, niemals eine Falte an der Uniform, am Jackett oder am Straßenanzug hatte und der in den Jahren, in denen
    Antonio zu seiner eisernen Garde gehörte, dieses Land tatsächlich verändert hatte. Mit den Straßen, Brücken und Industriewerken, die er hatte bauen lassen, aber auch, weil er in allen Bereichen – im politischen, militärischen, institutionellen, sozialen, wirtschaftlichen – eine so maßlose Macht angehäuft hatte, daß sämtliche Diktatoren, unter denen die Dominikanische Republik in ihrer republikanischen Geschichte gelitten hatte, bis hin zum einst so erbarmungslos wirkenden Ulises Heureaux, sich im Vergleich zu ihm wie Zwerge ausnahmen. Dieser mit Faszination vermischte Respekt verwandelte sich bei Antonio indes nie in die Bewunderung oder die unterwürfige, abstoßende Liebe, die andere Trujillo-Anhänger ihrem Führer entgegenbrachten. Selbst Juan Tomás, der seit
    1957 mit ihm alle Möglichkeiten durchgegangen war, die

Weitere Kostenlose Bücher