Das Fest des Ziegenbocks
von Antonios Mutter. Vom ersten Tag an verfolgte die Familie de la Maza mit Argwohn und Mißfallen die Intrigen, deren sich Rafael Leónidas Trujillo bediente, der damalige Chefbrigadier der Nationalen Polizei -eine Schöpfung des nordamerikanischen Besatzers, die sich nach dessen Abzug in die dominikanische Armee verwandeln sollte –, um Don Horacio Vázquez zu stürzen und sich 1930, bei den ersten manipulierten Wahlen seiner an Wahlbetrug reichen Geschichte, zum Präsidenten der Republik wählen zu lassen. Als dies geschah, tat die Familie de la Maza, was die patrizischen Familien und regionalen Caudillos traditionsgemäß taten, wenn ihnen die Regierungen nicht paßten: mit bewaffneten und aus eigener Tasche finanzierten Männern in die Berge gehen. Fast drei Jahre lang, zwischen seinem siebzehnten und zwanzigsten Lebensjahr, kämpfte Antonio de la Maza – ein Athlet, unermüdlicher Reiter, leidenschafdicher Jäger, heiter, verwegen und lebenslustig – , von einigen Unterbrechungen abgesehen, an der Seite seines Vaters, seiner Onkel und Brüder mit der Waffe in der Hand gegen die TruppenTrujillos, wenn auch ohne ihnen ernsthaften Schaden zuzufügen. Diese zersetzten die bewaffneten Gruppen allmählich, indem sie ihnen die eine oder andere Niederlage beibrachten, vor allem aber indem sie ihre Vertreter und Anhänger kauften, bis die Familie de la Maza, erschöpft und dem Ruin nahe, schließlich die Friedensangebote der Regierung akzeptierte und nach Moca zurückkehrte, um ihr halbverlassenes Land zu bebauen. Außer dem unbezähmbaren, eigensinnigen Antonio. Er lächelte im Gedanken an die Hartnäckigkeit, die ihn dazu brachte, mit weniger als zwanzig Mann, darunter seine Brüder Ernesto und Tavito (dieser noch ein Kind), Ende 1932 und Anfang 1933 Polizeiposten zu überfallen und den Regierungspatrouillen Hinterhalte zu legen. Die Zeiten waren so sonderbar, daß die drei Brüder trotz des aufreibenden Militärlebens fast immer eine Pause machen und
mehrere Tage im Monat im Familienhaus in Moca schlafen konnten. Bis zu jenem Hinterhalt in der Umgebung von Tarn boril, bei dem die Soldaten zwei seiner Männer töteten und Ernesto und Antonio selbst verletzten. Aus dem Militärhospital in Santiago schrieb er seinem Vater, Don Vicente, er bereue nichts und seine Familie solle sich nicht demütigen, indem sie Trujillo um Gnade bat. Zwei Tage nachdem er dem Krankenpfleger-Korporal diesen Brief mit einem guten Trinkgeld übergeben hatte, damit er ihn nach Moca gelangen ließe, brachte ihn ein Bereitschaftswagen der Armee, mit Handschellen gefesselt und mit Eskorte, nach Santo Domingo. (Der Kongreß der Republik sollte den Namen der alten Stadt erst drei Jahre später ändern.) Zur Überraschung des jungen Antonio de la Maza lieferte ihn das Militärfahrzeug nicht im Gefängnis ab, sondern fuhr mit ihm zum Regierungssitz, der sich damals in der Nähe der altehrwürdigen Kathedrale befand. Dort nahm man ihm die Handschellen ab und führte ihn in ein mit Teppichen ausgelegtes Zimmer, in dem sich, in Uniform, tadellos rasiert und frisiert, General Trujillo befand. Es war das erste Mal, daß er ihn sah. »Man braucht ganz schön viel Schneid, um diesen Brief zu schreiben.« Der Staatschef wedelte damit hin und her. »Mit deinem fast dreijährigen Krieg gegen mich hast du bewiesen, daß du den hast. Deshalb wollte ich dir ins Gesicht sehen. Stimmt das, mit deiner Zielsicherheit? Wir sollten einmal gegeneinander antreten, um zu sehen, ob sie besser ist als meine.«
Achtundzwanzig Jahre später erinnerte sich Antonio noch an diese dünne, schrille Stimme, an diese unerwartete, von einer Spur Ironie abgeschwächte Freundlichkeit. Und an den durchdringenden Blick jener Augen, dem er – er, der so stolz war – nicht standhalten konnte. »Der Krieg ist zu Ende. Ich habe den Widerstand aller regionalen Caudillos gebrochen, auch den der Familie de la Maza. Schluß mit der Schießerei. Man muß das Land wiederaufbauen, das in Trümmern liegt. Ich brauche die Besten an meiner Seite. Du bist impulsiv und kannst kämpfen, nicht? Gut. Arbeite mit
mir zusammen. Du wirst Gelegenheit zum Schießen haben. Ich biete dir einen Vertrauensposten an, bei den Militäradjutanten, die mit meiner Bewachung betraut sind. So kannst du mir einen Schuß verpassen, wenn ich dich eines Tages enttäusche.«
»Aber ich bin kein Militär«, stotterte der junge de la Maza. »Du bist es, von diesem Augenblick ab«, sagte Trujillo. »Leutnant Antonio de la
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