Das Fest des Ziegenbocks
Familie von Ungeheuern. Was hätte anderes aus ihm werden können als Sohn dieses Vaters, bei der Erziehung, die er erhalten hatte? Was hätte anderes aus dem Sohn von Heliogabal, von Caligula, von Nero werden können? Was konnte aus einem Kind werden, das mit sieben Jahren durch Gesetz – »Hast du es im Kongreß eingebracht oder Senator Chirinos, Papa?« – zum Oberst der dominikanischen Armee ernannt und mit zehn zum General befördert wurde in einer öffentlichen Zeremonie, an der das diplomatische Korps teilnehmen mußte und bei der sämdiche militärischen Befehlshaber ihm die Ehre erwiesen? Urania hat noch das Photo aus dem Album im Kopf, das ihr Vater in einem Schrank im Wohnzimmer aufbewahrte – ob es wohl noch dort war? –, auf dem der geschniegelte Senator
Agustín Cabral (»Oder warst du damals Minister, Papa?«) sich unter einer rabiaten Sonne in tadellosem Frack respektvoll vor dem Kind in Generalsuniform neigt, das von einem kleinen, zeltüberspannten Podest aus gerade die Militärparade abgenommen hat und nun die Glückwünsche der in einer Reihe angetretenen Minister, Parlamentarier und Botschafter entgegennimmt. Im Hintergrund der Tribüne die zufriedenen Gesichter des Wohltäters und der Vortrefflichen Dame, der stolzen Mama. »Was hätte anderes aus ihm werden können als der Müßiggänger, der Trinker, der Vergewaltiger, der Hohlkopf, der Verbrecher, der Labile, der er war? Wir und meine Freundinnen auf der Santo-Domingo-Schule wußten nichts davon, als wir in Ramfis verliebt waren. Du dagegen hast es gewußt, Papa. Deshalb hattest du Angst davor, daß er mich sehen, daß es ihn nach deinem Töchterchen gelüsten könnte, deshalb hast du dich so aufgeführt, das eine Mal, als er mich streichelte und mir ein Kompliment machte. Ich begriff überhaupt nichts!«
Der Invalide blinzelt zwei- oder dreimal. Denn im Unterschied zu ihren Freundinnen, deren Herzen für Ramfis Trujillo schlagen und die erfinden, daß sie ihn gesehen und mit ihm gesprochen haben, daß er sie angelächelt und ihnen Komplimente gemacht hat, ist Urania das wirklich passiert. Während des Festakts, der das große Ereignis einleitete, mit dem die fünfundzwanzig Jahre der Ära Trujillo gefeiert werden: das Fest des Friedens und der Brüderlichkeit mit der Freien Welt, das am
20. Dezember 1955 beginnt, das ganze Jahr 1956 dauern und zwischen fünfundzwanzig- und siebzigtausend Millionen Dollar kosten sollte – »Die genauen Zahlen hat man nie erfahren, Papa« – , zwischen einem Viertel und der Hälfte des Staatshaushalts. Urania hat die Bilder in sehr lebhafter Erinnerung, die Aufregung, das Gefühl staunender Bewunderung, das während dieses denkwürdigen Festes im Land herrschte: Trujillo feierte sich selbst, holte dazu das Orchester von Xavier Cugat, die Tänzerinnen des Pariser Lido, die nordamerikanischen Eisläuferinnen des Ice Capades nach Santo Domingo (»Nach Ciudad Trujillo, Verzeihung, Papa«) und errichtete auf dem achttausend Quadratmeter großen Festgelände einundsiebzig Gebäude, einige aus Marmor, Alabaster und Onyx, um die angereisten Delegationen der zweiundvierzig Länder der Freien Welt zu beherbergen, eine Auslese von Persönlichkeiten, unter denen der brasilianische Präsident Juscelino Kubitschek und die purpurfarbene Gestalt des Kardinals und Erzbischofs von New York, Francis Spellman, herausragten. Höhepunkte dieser Gedenkveranstaltung waren die Beförderung von Ramfis zum Generalleutnant wegen hervorragender Dienste am Vaterland und die Thronbesteigung Ihrer Gnädigen Majestät Angelita I. der Festkönigin, die das Gelände auf einem Schiff erreichte, angekündigt von den Sirenen der gesamten Marine und vom Geläut sämtlicher Kirchen der Hauptstadt, angetan mit ihrer juwelenbestückten Krone und einem zarten Gewand aus bestickter Gaze, das in Rom von zwei berühmten Modeschöpferinnen, den Schwestern Fontana, angefertigt worden war, die fünfundvierzig Meter russischen Hermelin zu einem Umhang mit einer drei Meter langen Schleppe verarbeitet hatten, der eine Imitation desjenigen war, den Elisabeth I. bei ihrer Thronbesteigung getragen hatte. Unter den Ehrenjungfern und Pagen befindet sich neben anderen auserwählten Mädchen und jungen Frauen der dominikanischen Gesellschaft auch Urania mit einem prächtigen langen Kleid aus Organdy, Seidenhandschuhen und einem Strauß Rosen in der Hand. Sie ist die Jüngste des jungen Hofstaats, der die Tochter Trujillos unter der triumphierenden Sonne durch
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