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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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die Menschenmenge geleitet, die dem Dichter und Chef des Präsidialamtes Don Joaquín Balaguer applaudiert, als er ein Loblied auf Ihre Majestät Angelita I. anstimmt und das dominikanische Volk ihrer Anmut und Schönheit zu Füßen legt. Urania, die sich ein bißchen wie eine richtige Frau fühlt, hört ihren Vater, im Galaanzug, eine Lobrede auf die Erfolge dieser fünfundzwanzig Jahre halten, die der Hartnäckigkeit, dem Weitblick und dem Patriotismus Trujillos zu danken sind. Sie ist überglücklich. (»Nie war ich es wieder so wie an diesem Tag,
    Papa.«) Sie fühlt sich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Jetzt wird in der Mitte des Festgeländes die Bronzestatue Trujillos enthüllt, in Jackett und akademischer Toga, Universitätsdiplome in der Hand. Plötzlich entdeckt Urania – Krönung dieses magischen Morgens – Ramfis Trujillo neben sich, der sie in seiner Paradeuniform mit seidigen Augen anblickt.
    »Und wer ist dieses hübsche kleine Mädchen?« lächelt der funkelnagelneue Generalleutnant sie an. Urania spürt warme, schlanke Finger, die sie unters Kinn fassen. »Wie heißt du denn?«
    »Urania Cabral«, stammelt sie mit rasendem Herzen. »Wie hübsch du bist, und wie hübsch du vor allem sein wirst.« Ramfis beugt sich herunter, und seine Lippen küssen die Hand des Mädchens, das den Aufruhr, die Seufzer, die Scherze hört, mit denen die anderen Pagen und Ehrenjungfern Ihrer Majestät Angelita I. die Szene feiern. Der Sohn des Generalissimus ist gegangen. Sie ist überwältigt. Was werden ihre Freundinnen sagen, wenn sie erfahren, daß Ramfis, kein Geringerer als Ramfis, sie hübsch genannt und am Kinn gefaßt und ihr wie einer richtigen Frau die Hand geküßt hat?
    »Wie verärgert du warst, als ich es dir erzählt habe, Papa. Wie wütend. Ist das nicht komisch?«
    Der Verdruß ihres Vaters, als er erfuhr, daß Ramfis sie berührt hatte, ließ in Urania zum ersten Mal den Verdacht keimen, daß in der Dominikanischen Republik womöglich nicht alles so vollkommen war, wie alle behaupteten, angefangen beim Senator Cabral.
    »Was ist denn dabei, daß er gesagt hat, ich bin hübsch, und daß er mich gestreichelt hat, Papa.« »Alles, aber auch alles.« Ihr Vater hebt die Stimme, was sie erschreckt, denn er ermahnt sie sonst nie mit diesem apodiktischen Zeigefinger über ihrem Kopf. »Nie mehr! Hör gut zu, Uranita. Wenn er auf dich zukommt, dann lauf weg. Grüß ihn nicht, sprich nicht mit ihm. Nimm die Beine unter den Arm. Es ist zu deinem Besten.«
    »Aber…. aber…« Das Mädchen ist völlig verwirrt. Sie sind gerade vom Fest des Friedens und der Brüderlichkeit mit der Freien Welt zurückgekehrt, sie noch in ihrem prächtigen Kleid als Ehrenjungfer Ihrer Majestät Angelita I. und ihr Vater in dem Frack, in dem er seine Rede vor Trujillo, dem Präsidenten Negro Trujillo und den Diplomaten, Ministern, Gästen und Tausenden von Personen gehalten hat, die sich auf den Alleen und Straßen und in den fahnengeschmückten Gebäuden des Festgeländes drängten. Warum ist er so wütend? »Weil Ramfis, dieser Junge, dieser Mann…. weil er schlecht ist.« Ihr Vater bemüht sich, nicht alles zu sagen, was er sagen möchte. »Zu den jungen Mädchen, den kleinen Mädchen. Erzähl das deinen Schulfreundinnen nicht weiter. Niemandem. Ich sage es dir, weil du meine Tochter bist. Das ist meine Pflicht. Ich muß auf dich aufpassen. Zu deinem Besten, Uranita, verstehst du das? Ja, du bist klug genug. Erlaub ihm nicht, daß er dir nahekommt, daß er mit dir spricht. Wenn du ihn siehst, dann lauf rasch zu mir. Wenn du bei mir bist, wird er dir nichts tun.«
    Gar nichts verstehst du, Urania. Du bist rein wie eine Lilie, kennst noch keinen Argwohn. Du sagst dir, daß dein Vater eifersüchtig ist. Er will nicht, daß jemand anderes dich streichelt oder zu dir sagt, daß du hübsch bist, er will der einzige sein. Die Reaktion des Senators Cabral läßt darauf schließen, daß der gutaussehende Ramfis, der romantische Ramfis damals schon begonnen hat, sich an den jungen Mädchen und den Frauen zu vergreifen, was seinen Ruhm mehren wird, einen Ruhm, den jeder Dominikaner, egal welcher Herkunft, zu erreichen trachtet. Großer Rammler, Hurenbock, wilder Hengst. Du wirst es nach und nach erfahren in den Klassenzimmern und Höfen der Santo-Domingo-Schule, der Schule für Töchter aus guter Familie, die von nordamerikanischen und kanadischen Sisters des Dominikanerordens in moderner Tracht geleitet wird, deren Schülerinnen nicht wie

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