Das Fest des Ziegenbocks
nicht mit ihm. Du sprichst weiter mit dir selbst, wie jeden Tag seit mehr als dreißig Jahren. Sie ist weder traurig noch deprimiert. Daran hindert sie vielleicht die Sonne, die durch die Fenster hereinfällt und die Gegenstände in ein helles Licht taucht, das sie scharf umreißt und ihre Einzelheiten hervortreten läßt, Mängel, verblassende Farben, Abnutzungen enthüllt. Wie schäbig, verwahrlost und alt ist jetzt das Schlafzimmer – das Haus – des einst mächtigen Senatspräsidenten Agustín Cabral. Wie bist du am Ende auf Ramfis Trujillo gekommen? Sie ist immer wieder fasziniert von den seltsamen Wegen der Erinnerung, von den Landschaften, die sie auf unerklärliche Reize, auf unvorhergesehene Assoziationen hin entstehen läßt. Ach ja, es hat mit der Nachricht zu tun, die du am Tag vor deiner Abreise aus den Vereinigten Staaten in der New York Times gelesen hast. Der Artikel handelte vom jüngeren Bruder, vom primitiven, häßlichen Radhamés. Was für eine Nachricht! Was für ein Ende. Der Reporter hatte sorgfältig recherchiert. Radhamés hatte einige Jahre in Armut in Panama gelebt, von verdächtigen Tätigkeiten, die niemand kannte, bis er sich in Luft auflöste. Er verschwand im vergangenen Jahr, ohne daß die Nachforschungen der Verwandten und der Polizei irgendeine Spur zutage förderten. Die Durchsuchung des kleinen Zimmers, in dem er in Baiboa gelebt hatte, ergab, daß seine spärlichen Besitztümer noch immer dort waren. Bis schließlich eines der kolumbianischen Drogenkartelle in Bogota mit dem typischen syntaktischen Pomp dieses amerikanischen Athen verlautbaren ließ, daß »der dominikanische Staatsbürger Don Radhamés Trujillo Martinez, wohnhaft in Baiboa, in der Bruderrepublik Panama, dessen unehrenhaftes
Verhalten bei der Erfüllung seiner Pflichten unzweifelhaft festgestellt werden konnte, an einem ungenannten Ort des kolumbianischen Urwalds hingerichtet wurde«. Die New York Times berichtete, der erfolglose Radhamés habe sich seinen Lebensunterhalt anscheinend seit Jahren im Dienst der kolumbianischen Mafia verdient. Gewiß mit irgendeiner erbärmlichen Tätigkeit, nach der Bescheidenheit zu urteilen, in der er lebte: als Zwischenträger der Capos, für die er Wohnungen anmietete, als Chauffeur von und zu den Hotels, Flughäfen, Bordellen oder womöglich als Mittelsperson für die Geldwäsche. Versuchte er, sie um ein paar Dollar zu erleichtern, um seine Lebensbedingungen zu verbessern? Da er nicht besonders helle war, erwischten sie ihn sofort. Sie entführten ihn in die Urwälder am Darién, wo sie die Herren und Gebieter waren. Vielleicht folterten sie ihn mit der Grausamkeit, mit der er und Ramfis im Jahr 59 die Invasoren in Constanza, Maimón und Estero Hondo und 1961 die an der Ruhmestat des 30. Mai Beteiligten gefoltert und getötet hatten. »Ein gerechtes Ende, Papa.« Ihr Vater, der eingenickt war, öffnet die Augen. »Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen. Das erfüllte sich im Fall von Radhamés, wenn er denn in dieser Weise starb. Denn nichts ist bewiesen. In dem Artikel stand auch, er sei angeblich ein Informant der DEA gewesen, diese habe ihm das Gesicht operieren lassen und ihn wegen der im Kampf gegen die kolumbianischen Mafiosi geleisteten Dienste beschützt. Gerüchte, Vermutungen. Wie auch immer, was haben sie für ein Ende gefunden, die lieben Kinder deines Chefs und der Vortrefflichen Dame. Der schöne Ramfis, zerfetzt bei einem Autounfall in Madrid. Ein Unfall, der manchen zufolge eine Operation des CIA und Balaguers war, um den Erstgeborenen zum Schweigen zu bringen, der von Madrid aus konspirierte, bereit, Millionen zu investieren, um den Familienbesitz zurückzugewinnen. Radhamés, ein Ende als armer Teufel, ermordet von der kolumbianischen Mafia, weil er versuchte, das schmutzige Geld zu stehlen, das er waschen half, oder als Agent der DEA. Angelita, Ihre Majestät
Angelita L, deren Ehrenjungfer ich war, weißt du, wie sie lebt? In Miami, wo die Flügel der göttlichen Taube sie streifen. Sie ist jetzt eine New Born Christian. In einer dieser unzähligen evangelischen Sekten, in die Leid und Angst, Dummheit und Wahnsinn die Leute treiben. So endete die Königin und Herrin dieses Landes. In einem sauberen, geschmacklosen Häuschen, in dem sich der Kitsch der Gringos mit dem der Karibik mischt, als missionarische Eiferin. Es heißt, man sieht sie an den Straßenecken von Dade County, in den Stadtvierteln der Latinos und Haitianer, wo sie
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