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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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MördernTrujillos die Augen herausschneiden und die Haut abziehen. Weißt du, daß ihr am Ende die Arteriosklerose den Garaus machte? Daß sie in ihrer Habgier hinter dem Rücken des Chefs all diese Millionen und Abermillionen Dollar außer Landes geschafft hatte? Daß sie alle Codewörter für die Schweizer Nummernkonten besaß und sie vor ihren lieben Kindern geheimgehalten hatte? Sehr zu Recht, zweifellos. Sie fürchtete, sie könnten sie um ihre Millionen bringen und sie in ein Altersheim stecken, damit sie dort ihre letzten Jahre verbrachte, ohne ihre Geduld zu strapazieren. Sie war es, die sie am Ende mit Hilfe der Arteriosklerose zum Narren hielt. Ich hätte alles darum gegeben, um die Vortreffliche Dame im fernen Madrid zu sehen, von Mißgeschicken erdrückt, von Gedächtnisschwund geplagt. Aber immer noch mit einer Hellsicht, die sich aus ihrem Geiz speiste und die ausreichte, um ihren Sprößlingen nicht die Nummern der Schweizer Konten zu verraten. Und um zu sehen, wie die Ärmsten sich abmühten, die Vortreffliche Dame dazu zu bringen, sich in Madrid, beim häßlichen und primitiven Radhamés, oder in Miami, bei Angelita vor ihrer Bekehrung, daran zu erinnern, wo sie sie hingekritzelt oder versteckt hatte. Kannst du sie dir vorstellen, Papa? Was werden sie gewühlt, gezerrt, zerbrochen, zerrissen haben auf der Suche nach dem Versteck. Sie nahmen sie nach Miami mit, schickten sie nach Madrid zurück. Und es gelang ihnen nicht. Sie nahm das Geheimnis mit ins Grab! Wie findest du das, Papa? Ramfis schaffte es, ein paar Milliönchen zu verschwenden, die er in den Monaten nach dem Tod seines Vaters außer Landes brachte, denn der Generalissimus (stimmt das, Papa?) bestand darauf, nicht einen Centavo außer Landes zu lassen, um seine Familie und seine Gefolgsleute zu zwingen, für sich einzustehen und hier zu sterben. Aber Angelita und Radhamés blieben mittellos zurück. Und durch die Arteriosklerose starb auch die Vortreffliche Dame in Armut, in Panama, wo Kalil Hache sie begrub, nachdem er sie mit einem Taxi zum Friedhof gebracht hatte. Sie hinterließ die Millionen der Familie den Schweizer Bankiers! Man kann über sie weinen oder schallend lachen, aber ernst nehmen kann man sie in keinem Fall. Nicht wahr, Papa?« Ein neuer Lachanfall erfaßt sie und treibt ihr Tränen in die Augen. Während sie sich die Augen trocknet, kämpft sie gegen den Anflug einer Depression, die in ihr aufsteigt. Der Invalide beobachtet sie; er hat sich an ihre Gegenwart gewöhnt und scheint nicht mehr auf ihren Monolog zu achten.
    »Glaub nicht, daß ich hysterisch geworden bin«, seufzt sie. »Noch nicht, Papa. Was ich jetzt mache, meinen Gedanken freien Lauf lassen, Erinnerungen ausgraben, das mache ich sonst nie. Das ist mein erster Urlaub in vielen Jahren. Ich mag Urlaub nicht. Hier, als kleines Mädchen, mochte ich Ferien. Seitdem ich dank der Sisters auf die Universität in Adrian gehen konnte, nie mehr. Ich habe mein Leben lang gearbeitet. Bei der Weltbank habe ich mir nie Urlaub genommen. Und in der Kanzlei, in New York, auch nicht. Ich habe keine Zeit, um über die dominikanische Geschichte zu monologisieren.«
    Es stimmt, dein Leben in Manhattan ist anstrengend. All ihre Stunden sind genau eingeteilt, ab neun Uhr morgens, wenn sie ihr Büro in der Madison Avenue Ecke 74. Straße betritt. Da hat sie schon eine dreiviertel Stunde im Central Park gejoggt, wenn das Wetter gut ist, oder Aerobic im Fitness Center an der Ecke gemacht, in dem sie Mitglied ist. Ihr Tag ist eine Abfolge von
    Gesprächen, Gutachten, Diskussionen, Beratungen, Ermittlungen im Archiv, Arbeitsessen im Nebenraum der Kanzlei oder in irgendeinem Restaurant in der Nähe, gefolgt von einem ebenso angefüllten Nachmittag, der oft bis acht Uhr abends dauert. Wenn das Wetter es erlaubt, geht sie zu Fuß nach Hause. Sie macht sich einen Salat und öffnet einen Joghurt, bevor sie die Nachrichten im Fernsehen sieht, liest ein wenig und geht ins Bett, so müde, daß die Buchstaben des Buches oder die Bilder des Videos nach kaum zehn Minuten zu flimmern beginnen. Immer gibt es eine oder bisweilen zwei Reisen im Monat innerhalb der Vereinigten Staaten oder nach Lateinamerika, Europa und Asien; in der letzten Zeit auch nach Afrika, wo einige Investoren endlich wagen, ihr Geld zu riskieren, wofür sie in der Kanzlei um juristische Hilfe nachsuchen. Das ist ihr Spezialgebiet: der legale Aspekt der Finanzoperationen der Unternehmen, an jedem Ort der Welt. Ein

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