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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Dominikanerinnen sind neugierig.«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum«, sagt Urania, die Schultern zuckend. »Vielleicht aus Zeitmangel. Ich bin immer zu beschäftigt gewesen; erst mit dem Studium und dann mit der Arbeit. Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu leben, ich könnte mein Leben nicht mit einem Mann teilen.« Sie hört sich reden und glaubt nicht, was sie sagt. Lucinda dagegen zieht ihre Worte nicht in Zweifel. »Du hast gut daran getan, Mädchen«, sagt sie traurig. »Was hat es mir genützt, daß ich geheiratet habe, hm? Der Schuft von Pedro hat mich mit zwei kleinen Mädchen sitzengelassen. Er ist eines Tages ausgezogen und hat mir nie einen Pfennig geschickt. Ich mußte zwei Mädchen großziehen und dafür die langweiligsten Dinge tun, Häuser vermieten, Blumen verkaufen, Chauffeure unterrichten, die der Gipfel an Frechheit sind, du kannst dir das nicht vorstellen. Da ich nichts gelernt habe, war es das einzige, was ich gefunden habe. Du Glückliche. Du hast einen Beruf und verdienst deinen Lebensunterhalt in der Hauptstadt der Welt mit einer interessanten Arbeit. Gut, daß du nicht geheiratet hast. Aber du wirst doch Abenteuer haben, oder?«
    Urania fühlt, wie ihre Wangen brennen, und ihre Röte bringt Lucinda zu Lachen:
    »Ui, ui, wie rot du geworden bist. Du hast einen Liebhaber! Erzähl mir. Ist er reich? Sieht er gut aus? Gringo oder Latino?«
    »Ein Herr mit silbergrauen Schläfen, sehr distinguiert«, erfindet Urania. »Verheiratet und mit Kindern. Wir sehen uns an den Wochenenden, wenn ich nicht auf Reisen bin. Eine angenehme Beziehung ohne Verpflichtungen.« »Wie ich dich beneide, Mädchen!« Lucinda klatscht in die Hände. »Das ist mein Traum. Ein reicher und vornehmer alter Herr. Ich werde ihn mir in New York suchen müssen, hier sind die Alten alle unbrauchbar: fett und ohne einen roten Heller.«
    In Adrian konnte sie es nicht vermeiden, zu einigen Partys zu gehen, mit anderen jungen Leuten Ausflüge zu machen, zu tun, als flirtete sie mit irgendeinem sommersprossigen Farmerssohn, der ihr etwas über Pferde oder riskante winterliche Kletterpartien in den beschneiten Bergen erzählte, aber sie mußte sich bei diesen Vergnügungen so sehr verstellen, daß sie erschöpft in ihr dormitory zurückkehrte und nach Vorwänden suchte, sich ihnen zu entziehen. Sie legte sich ein Repertoire von Entschuldigungen zurecht: Prüfungen, Arbeiten, Besuche, Unwohlsein, unaufschiebbare Fristen für die Abgabe der papers. Sie konnte sich nicht erinnern, in den Jahren in Harvard zu einer Party oder in Lokale gegangen zu sein oder ein einziges Mal getanzt zu haben. »Manolita ist es in ihrer Ehe auch schlimm ergangen. Nicht, weil ihr Mann ein Weiberheld gewesen wäre wie meiner. Cocuyo (na ja, er heißt Esteban) kann keiner Fliege was zuleide tun. Aber er taugt zu nichts, überall werfen sie ihn wieder raus. Jetzt hat er einen kleinen Job in einem dieser Hotels, die sie in Punta Cana für Touristen gebaut haben. Er verdient einen Hundelohn, und meine Schwester sieht ihn gerade ein- oder zweimal im Monat. Ist das vielleicht eine Ehe?«
    »Erinnerst du dich an Rosalía Perdomo?« unterbricht Urania sie.
    »Rosalía Perdomo?« Lucinda sucht in ihrer Erinnerung, mit halbgeschlossenen Augen. »Ehrlich gesagt, nein… Aber natürlich! Die Rosalía der Geschichte mit Ramfis Trujillo? Man hat sie hier nie wieder gesehen. Sie haben sie bestimmt ins Ausland geschickt.«
    Uranias Aufnahme in Harvard wurde in der Siena Heights
    University wie ein großes Ereignis gefeiert. Bislang war ihr nicht klargewesen, welches Prestige diese Universität in den Vereinigten Staaten besaß und wie ehrfurchtsvoll man sich auf alle bezog, die dort ihren Abschluß gemacht hatten, studierten oder unterrichteten. Es geschah auf die natürlichste Weise; wenn sie es sich vorgenommen hätte, wäre es nicht so leicht gewesen. Sie war im letzten Jahr. Die Berufsberaterin beglückwünschte sie zunächst zu ihren Studienerfolgen und fragte sie dann, welche beruflichen Pläne sie habe, und Urania antwortete: »Mir würde Jura gefallen.« »Damit kann man viel Geld verdienen«, erwiderte Dr. Dorothy Sallison. Aber Urania hatte »Jura« gesagt, weil es das erste war, was ihr auf der Zunge lag, sie hätte auch sagen können Medizin, Ökonomie oder Biologie. Nie hattest du an deine Zukunft gedacht, Urania; du warst so durch die Vergangenheit gelähmt, daß du nicht auf den Gedanken kamst, an das zu denken, was vor dir lag. Dr. Sallison

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