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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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verrückt wurde vor Verzweiflung, als Trujillo sich von ihm abwandte.«
    »Gut, vielleicht hat er sich geirrt«, wiederholt ihre Cousine, während ihre Augen sie darum bitten, das Thema zu wechseln. »Gib wenigstens zu, daß er sehr anständig war. Er hat sich auch nicht angepaßt, wie so viele, die mit den Regierungen danach weiter das große Leben geführt haben, vor allem während der drei Amtszeiten von Balaguer.«
    »Mir wäre es lieber gewesen, er hätte Trujillo aus Eigennutz gedient, um sich zu bereichern oder Macht zu haben«, sagt Urania und sieht abermals Verwirrung und Mißbilligung in Luandas Augen. »Alles, nur nicht sehen, wie er jammert, weil Trujillo ihm keine Audienz gewährt, weil im Öffentlichen Forum Briefe mit Beschimpfungen gegen ihn erscheinen.«
    Es ist eine hartnäckige Erinnerung, die sie in Adrian und Cambridge quälte, sie in abgeschwächter Form in ihren Jahren bei der Weltbank, in Washington D.C. begleitete und jetzt in Manhattan noch immer plötzlich anfällt: der hilflose Senator Agustín Cabral, der ruhelose Runden in diesem Wohnzimmer drehte und sich fragte, welche Intrige der Flüssige Verfassungsrechtler, der salbungsvolle Balaguer, der zynische Virgilio Älvarez Pina oder Paíno Pichardo gegen ihn angezettelt hatten, damit der Generalissimus ihn über Nacht seiner Existenz beraubte. Denn was für eine Existenz konnte ein Senator und Ex-Minister haben, dem der Wohltäter keinen Brief beantwortete und nicht erlaubte, im Kongreß zu erscheinen? Wiederholte sich mit ihm die Geschichte von Anselmo Paulino? Würden die caliés ihn irgendwann früh am Morgen holen kommen, um ihn in einem Kerker zu begraben? Würden La Nación und El Caribe voll widerwärtiger Nachrichten über seine Diebstähle, Unterschlagungen, Treulosigkeiten und Verbrechen erscheinen?
    »In Ungnade zu fallen war schlimmer für ihn, als wenn man den liebsten Menschen seines Lebens umgebracht hätte.« Ihre Cousine hört ihr zu, mit wachsendem Unbehagen. »War das der Grund für deinen Zorn, Uranita?« sagt sie schließlich. »Die Politik? Aber ich kann mich sehr gut an dich erinnern, dich hat Politik nie interessiert. Zum Beispiel als mitten im Schuljahr diese beiden Mädchen kamen, die niemand kannte. Es hieß, sie seien caliesas, und niemand redete von etwas anderem, aber dich langweilte dieses politische Gerede, und du hast uns den Mund verboten.« »Politik hat mich nie interessiert«, bestätigt Urania. »Du hast recht, warum über Dinge reden, die fünfunddreißig Jahre zu rückliegen.«
    Die Krankenschwester taucht auf der Treppe auf. Sie trocknet sich die Hände an einem blauen Lappen. »Schön sauber und gepudert wie ein Baby«, verkündet sie ihnen. »Sie können hinaufgehen, wann Sie wollen. Ich werde Don Agustín das Mittagessen machen. Für Sie auch, Senora?«
    »Nein danke«, sagt Urania. »Ich gehe ins Hotel, dort kann ich dann auch endlich duschen und mich umziehen.« »Heut abend kommst du auf jeden Fall zu uns zum Abendessen. Du wirst meiner Mama eine Riesenfreude machen. Ich werde auch Manolita anrufen, sie wird in die Luft springen.« Lucinda verzieht traurig das Gesicht. »Du wirst dich aber ziemlich wundern. Erinnerst du dich, wie groß und schön das Haus war? Es ist nur noch die Hälfte übrig. Als Papa starb, mußten wir den Garten verkaufen, mit der Garage und den Dienstbotenzimmern. Na ja, Schluß damit. Durch dich habe ich wieder
    an diese Kindheitsjahre denken müssen. Wir waren glücklich, nicht? Es kam uns nicht in den Sinn, daß sich alles ändern könnte, daß magere Jahre kommen würden. Gut, ich gehe, sonst bekommt Mama kein Mittagessen. Du kommst doch zum Abendessen, nicht? Und wirst nicht noch einmal fünfunddreißigjahre verschwinden? Ach, du erinnerst dich doch an das Haus, in der Galle Santiago, fünf Straßen von hier entfernt.«
    »Ich erinnere mich ganz genau.« Urania steht auf und umarmt ihre Cousine. »Dieses Viertel hat sich überhaupt nicht verändert.«
    Sie begleitet Lucinda zur Haustür und verabschiedet sie mit
    einer weiteren Umarmung und einem Kuß auf jede Wange. Als sie zusieht, wie sie sich in ihrem geblümten Kleid auf der in der Sonne kochenden Straße entfernt, begleitet von rabiatem Hundegebell, das von Hühnergegacker beantwortet wird, erfaßt sie Beklemmung. Was machst du hier? Was suchst du in Santo Domingo, in diesem Haus? Wirst du mit Lucinda, Manolita und Tante Adelina zu Abend essen? Die Arme wird ein Fossil sein, wie dein Vater. Sie steigt die

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