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Das Fest

Titel: Das Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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unterkriegen zu lassen.«
    Stanley biss ein großes Stück von seinem Sandwich ab und riss dabei Salatstreifen mit, die ihm zwischen den Lippen hängen blieben. Dann murmelte er: »Eigentlich keine schlechte Idee.« Oder etwas in der Art.
    Urlaub, das hieß für Stanley eine Woche in seinem Strandhaus, einem Erbteil, in das er während der vergangenen dreißig Jahre keinen Cent investiert hatte. Luther und Nora hatten dort einmal eine schreckliche Woche als Gäste der Wileys verbracht. Stanley und Jayne hatten sich selbst im großen Schlafzimmer einquartiert und den Kranks die »Gästesuite« zugewiesen, einen schmalen Raum mit Stockbetten und ohne Klimaanlage. Stanley hatte von morgens bis abends einen Gin Tonic nach dem anderen gekippt und praktisch nie die Sonne gesehen.
    Nun schlenderte er davon, immer noch mit vollem Mund. Doch bevor Luther flüchten konnte, kam Yank Slader in sein Büro gestürzt. »Bis jetzt fünf Komma zwei Mille, alter Junge«, verkündete er. »Und kein Ende in Sicht. Abigail hat sich gerade für sechshundert Dollar ein Kleid für die Weihnachtsfeier gekauft. Keine Ahnung, wieso sie nicht den Fummel vom letzten oder vorletzten Jahr anziehen kann, aber es lohnt nicht, deswegen zu streiten. Schuhe dazu — hundertvierzig Dollar. Neue Handtasche noch mal neunzig. Ihre Schränke sind voll mit Schuhen und Handtaschen, aber davon fange ich besser gar nicht erst an. Wenn das so weitergeht, kommen wir noch auf über sieben Mille. Bitte nimm mich mit auf die Kreuzfahrt.«
    Inspiriert von Luther führte Yank ganz genau Buch über die Weihnachtsausgaben und teilte ihm zweimal pro Woche den neuesten Stand mit. Allerdings war unklar, welche Konsequenzen er aus dem Endergebnis ziehen würde. Höchstwahrscheinlich gar keine, und das wusste er auch. »Du bist mein Held«, sagte er wieder und verließ Luthers Büro so schnell, wie er hereingestürmt war.
    Sie sind alle neidisch, dachte Luther. Jetzt, wo nur noch eine Woche Zeit bleibt, und der Weihnachtswahnsinn mit jedem Tag schlimmer wird, könnten sie vor Neid platzen. Einige — wie Stanley — wollten es nicht zugeben. Andere — wie Yank — waren geradezu stolz auf Luther.
    Zu spät für die Sonnenbank. Luther schlenderte zum Fenster und genoss den Anblick des kalten Regens, der auf die Stadt niederging. Grauer Himmel, kahle Bäume, ein paar letzte Blätter im Wind und in der Ferne verstopfte Straßen. Wie reizend, dachte er selbstzufrieden und tätschelte seinen flachen Bauch. Dann ging er hinunter zum Reisebüro und trank mit Biff ein Glas Diätlimonade.
    * * *
    Als der Timer ertönte, sprang Nora mit einem Satz aus dem Bronzomat und griff nach ihrem Handtuch. Sie hatte kein besonderes Vergnügen daran zu schwitzen und rieb sich hastig ab. Sie trug einen extrem knappen, roten Bikini. An dem jungen, katzenhaften Fotomodell im Katalog hatte er hervorragend ausgesehen, aber Nora wusste genau, dass sie ihn niemals in der Öffentlichkeit anziehen würde. Nichtsdestotrotz hatte Luther auf dem Kauf bestanden. Er hatte das Modell angeglotzt und ihr damit gedroht, das Ding selbst zu bestellen, wenn sie es nicht tat. Da der Bikini nicht allzu teuer gewesen war, gehörte er nun also Nora.
    Sie sah flüchtig in den Spiegel und errötete beim Anblick ihres spärlich bekleideten Körpers. Sicher — sie hatte abgenommen. Sicher — ihre Haut war schon leicht gebräunt. Aber um diesem Bikini gerecht zu werden, hätte sie eigentlich erst einmal fünf Jahre lang hungern und sich im Fitnesscenter quälen müssen.
    Nora zog schnell Hose und Pullover über den Bikini. Luther beteuerte zwar, dass er sich vollkommen nackt bräunte, aber sie würde sich hier um keinen Preis komplett ausziehen.
    Selbst angekleidet kam sie sich immer noch vor wie eine Schlampe. Das Ding war an den unmöglichsten Stellen zu eng, und wenn sie sich bewegte — nun ja, es war nicht gerade bequem. Sie wollte nur noch schnell nach Hause, es sich vom Leib reißen und ein ausgedehntes heißes Bad nehmen.
    Nora schaffte es, das Sonnenstudio unbemerkt zu verlassen, bog um eine Ecke — und fand sich Aug in Auge mit Reverend Doug Zabriskie wieder, ihrem Pfarrer. Er war mit Einkaufstüten beladen, während sie nichts als ihren Mantel im Arm hielt. Er war blass, sie hatte ein rotes Gesicht und schwitzte immer noch. Er trug sein bequemes altes Tweedjackett, einen Überzieher, ein schwarzes Hemd mit Kragen. Noras Bikini schnürte ihr das Blut ab und schrumpfte mit jeder Minute.
    Sie umarmten einander

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