Das Fest
halbherziges »Danke«.
Nach einigen peinlichen Sekunden gelang es Luther, die Männer aus dem Haus zu bugsieren. Dann kehrte er in die Küche zurück und musste feststellen, dass alles weg war — Nora, der Teller mit seinen letzten beiden Bissen Fisch, sein Glas Wasser, seine Serviette. Alles. Wutentbrannt stürmte er die Speisekammer, wo er ein Glas Erdnussbutter und ein paar trockene Kekse fand.
9
S tanley Wileys Vater hatte Wiley & Beck im Jahre 1949 gegründet. Beck war mittlerweile schon so lange tot, dass niemand wusste, wieso sein Name überhaupt noch an der Tür stand. Wahrscheinlich, weil Wiley & Beck einfach gut klang und es außerdem ziemlich kostspielig gewesen wäre, das Briefpapier und dergleichen neu drucken zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass die Firma nun schon seit einem halben Jahrhundert existierte, war es erstaunlich, wie wenig sie sich vergrößert hatte. In der Steuerabteilung arbeiteten einschließlich Luther ein Dutzend Beschäftigte, in der Buchprüfung ungefähr zwanzig. Die Klientel bestand hauptsächlich aus mittelständischen Unternehmen, die es sich nicht leisten konnten, überregional agierende Steuerberater und Buchhalter zu beauftragen.
Wenn Stanley Wiley dreißig Jahre zuvor etwas ehrgeiziger gewesen wäre, hätte die Firma vielleicht auf den fahrenden Zug aufspringen und zu einer einflussreichen festen Größe werden können. Aber der Ehrgeiz ging ihm ab, so dass sich Wiley & Beck nun mit dem Status als »Krämerladen für Steuerangelegenheiten« zufrieden geben musste.
Gerade als Luther sich verdrücken wollte, um ein weiteres Mal zum Einkaufszentrum zu fahren, erschien wie aus dem Nichts Stanley mit einem langen Baguette-Sandwich in der Hand, aus dem Salatblätter heraushingen. »Haben Sie eine Minute Zeit?«, fragte er mit vollem Mund und saß bereits, noch ehe Luther »ja«, »nein« oder »aber nur ganz kurz« sagen konnte. Stanley trug alberne Fliegen und normalerweise immer eine Auswahl verschiedenster Flecken auf seinem blauen Hemd — Tinte, Mayonnaise, Kaffee. Er war schludrig und sein Büro eine berüchtigte Müllhalde, in der Dokumente und Akten verschwanden und manchmal auch monatelang verschwunden blieben. »Versuch es mal in Stanleys Büro« lautete der Firmenslogan, wenn Papiere einfach nicht aufzufinden waren.
»Ich habe gehört, dass Sie nicht an der Weihnachtsfeier morgen Abend teilnehmen werden«, sagte Stanley immer noch kauend. In der Mittagspause streifte er gern mit einem Sandwich in der einen und einer Getränkedose in der anderen Hand durch die Firma, als wäre er zu beschäftigt für eine ordentliche Mahlzeit.
»In diesem Jahr mache ich vieles anders, Stanley. Das geht gegen niemanden persönlich«, erwiderte Luther.
»Also stimmt das Gerücht.«
»Ja, es stimmt. Wir werden nicht kommen.«
Stanley runzelte die Stirn, schluckte und beäugte dann prüfend das Sandwich, kurz vor dem nächsten Bissen. Er war der geschäftsführende Partner, nicht der Chef. Luther selbst war seit sechs Jahren Partner. Niemand bei Wiley & Beck konnte ihn zu irgendetwas zwingen.
»Tut mir Leid, das zu hören. Jayne wird ziemlich enttäuscht sein.«
»Ich schreibe ihr ein paar Zeilen«, sagte Luther. Eigentlich war die offizielle Weihnachtsfeier der Firma gar nicht so furchtbar — ein nettes Dinner im Gesellschaftsraum eines alteingesessenen Restaurants in der Innenstadt, gutes Essen, ordentliche Weine, ein paar Reden, dann eine Live-Band und Tanz bis in die frühen Morgenstunden. Das Ganze natürlich in gepflegter Garderobe, und die Damen gaben sich Jahr für Jahr alle Mühe, einander auszustechen, was Kleider und Schmuck betraf. Jayne Wiley war eine reizende Frau, die etwas sehr viel Besseres als Stanley verdient gehabt hätte.
»Gibt's einen bestimmten Grund?«, erkundigte sich Stanley neugierig.
»Wir verzichten diesmal auf das ganze Theater. Kein Baum, keine Geschenke, nichts. Wir sparen das Geld und machen eine ZehnTage-Kreuzfahrt. Blair ist nicht da, und wir brauchen mal etwas Entspannung. Wahrscheinlich werden wir im nächsten Jahr alles nachholen, und wenn nicht, dann eben im Jahr danach.«
»Weihnachten findet schließlich alle Jahre wieder statt, nicht wahr?«
»In der Tat.«
»Es sieht aus, als hätten Sie abgenommen.«
»Zehn Pfund. Die Strände warten schon.«
»Sie sehen wirklich großartig aus, Luther. Wie ich höre, gehen Sie auch ins Sonnenstudio.«
»Ja, ich will mich sozusagen abhärten. Ich habe nicht vor, mich von der Sonne
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