Das Fest
verpetzt. Einer seiner Nachbarn hatte bei der Zeitung angerufen. Entweder Frohmeyer oder Walt Scheel.
»Dazu habe ich nichts zu sagen«, fauchte er und knallte die Tür zu. Nora stand wieder einmal unter der Dusche. Luther ging in den Keller.
10
L uther schlug vor, zum Abendessen zu Angeles zu fahren, ihrem Lieblingsitaliener. Das Restaurant befand sich im Erdgeschoss eines alten Gebäudes in der Innenstadt, weit weg von den Menschenmassen in den Einkaufszentren und fünf Blocks entfernt von der Paradestrecke. Es war ein Abend, den man besser nicht in der Hemlock Street verbrachte.
Sie bestellten gemischten Salat mit einem leichten Dressing, Pasta in Tomatensauce, kein Fleisch, keinen Wein, kein Brot. Nora hatte inzwischen sieben, Luther zehn Bestrahlungen im Sonnenstudio hinter sich, und während sie an ihrem Mineralwasser nippten, bewunderten sie gegenseitig ihr wettergegerbtes Aussehen und lachten leise über all die bleichen Gesichter um sie herum. Eine von Luthers Großmüttern war Halbitalienerin gewesen, und seine südländischen Gene schienen den Bräunungsprozess zu fördern. Seine Haut war um einige Nuancen dunkler als Noras, was ihren Freunden bereits aufgefallen war. Aber das war ihm egal. Mittlerweile wusste sowieso jeder, dass sie in die Karibik reisen würden.
»Jetzt geht es los«, sagte Nora, nachdem sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte.
Luther sah auf seine. Punkt sieben.
Die Weihnachtsparade startete alljährlich vom Veteranenpark in der Stadtmitte aus. Festwagen, Feuerwehrautos und Blaskapellen — es war immer dasselbe. Als Letztes kam stets der Weihnachtsmann, in einem Schlitten, der von den Rotariern gebaut und von acht unförmigen Mitgliedern des Ordens vom heiligen Grab auf Kleinmotorrädern eskortiert wurde. Die Parade schlängelte sich durch die westlichen Stadtviertel und führte dabei nahe an der Hemlock Street vorbei. In jedem der vergangenen achtzehn Jahre hatten die Kranks und ihre Nachbarn an der Strecke kampiert und mitgefeiert. Doch diesmal wollten Luther und Nora diesem festlichen Ereignis möglichst aus dem Weg gehen.
Kinder, Weihnachtssänger und weiß Gott wer noch würden sich auf der Straße tummeln. Höchstwahrscheinlich auch Fahrradbanden, die im Sprechchor »Freiheit für Frosty« forderten, und kleine Terroristen, die Schilder in ihren Vorgarten rammten.
»Wie war die Weihnachtsfeier der Firma?«, erkundigte sich Nora.
»Nach allem, was ich gehört habe, scheint es das Übliche gewesen zu sein. Derselbe Raum, dieselben Kellner, wieder mal Lendenstücke und Souffle. Slader hat erzählt, dass Stanley Cocktails gekippt hat, bis er voll war wie eine Strandhaubitze.«
»Das ist ja nichts Neues.«
»Seine Rede war wohl auch so ziemlich dieselbe wie im letzten Jahr — hervorragende Leistung, gestiegener Umsatz, nächstes Jahr zeigen wir es den anderen, Wiley & Beck ist eine große Familie, vielen Dank an alle, blabla. Die gewöhnliche Nummer. Ich bin froh, dass wir uns das geschenkt haben.«
»War außer uns noch jemand nicht da?«
»Laut Slader hat sich Maupin aus der Buchprüfung nicht blicken lassen.«
»Ich würde zu gern wissen, was für ein Kleid Jayne getragen hat.«
»Ich werde Slader fragen, der hat sich bestimmt alles genauestens notiert.«
Der Salat wurde serviert. Nora und Luther starrten den jungen Spinat an wie zwei Verhungernde, gossen jedoch langsam und sorgfältig erst das Dressing darüber, fügten dann ein wenig Salz und Pfeffer hinzu und fingen schließlich an zu essen, als würde Nahrung sie überhaupt nicht interessieren.
Auf der Island Princess gab es durchgehend warme Küche. Luther hatte vor zu essen, bis er platzte.
An einem Tisch in der Nähe saß eine hübsche, dunkelhaarige junge Dame mit ihrem Freund. Nora sah sie und ließ ihre Gabel sinken.
»Glaubst du, es geht ihr gut, Luther?«
Luther warf einen Blick in den Raum und fragte: »Wem?«
»Blair.«
Er hörte auf zu kauen und dachte über die Frage nach. Nora stellte sie ihm mittlerweile nur noch dreimal am Tag. »Es geht ihr ausgezeichnet, Nora. Sie fühlt sich bestimmt richtig gut.«
»Ob sie in Sicherheit ist?« Eine weitere Standardfrage, und auch noch so formuliert, als könne Luther wissen, ob ihre Tochter genau in diesem Moment in Gefahr war oder nicht.
»Das Friedenskorps hat seit dreißig Jahren keinen einzigen freiwilligen Mitarbeiter verloren. Du kannst mir glauben, dass alle dort sehr vorsichtig sind, Nora. Und jetzt iss bitte.«
Sie schob das Grünzeug
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