Das Fest
Schwierigkeiten gebracht hatte?
Luther war dem Kognak näher, als er zugeben wollte.
* * *
Spike Frohmeyer erstattete Bericht über alles, was er gesehen und gehört hatte. Die vierzig Dollar in seiner Tasche und sein Schweigeversprechen gegenüber Luther ließen ihn anfangs zwar zögern, aber in der Hemlock Street bewahrte niemand lang ein Geheimnis. Nach einigen anstachelnden Worten seines Vaters sprudelte alles aus Spike heraus.
Er erzählte, dass er dafür bezahlt worden war, den Baum aus dem Haus der Trogdons zu schaffen, dass er Mr. Krank dabei geholfen hatte, ihn in dessen Wohnzimmer aufzustellen, dass er den Baum dann mit Schmuck und Lichterketten hatte überhäufen müssen, dass Mr. Krank immer wieder zum Telefon geschlichen war und verschiedene Leute angerufen hatte, dass die Kranks anscheinend eine Last-Minute-Party für diesen Abend planten, offenbar jedoch niemand daran teilnehmen wollte. Allerdings könne er nichts über den Anlass der Party sagen, beziehungsweise, aus welchem Grund sie so überstürzt auf die Beine gestellt wurde, denn Mr. Krank habe das Telefon in der Küche benutzt und sehr leise gesprochen. Mrs. Krank habe im Übrigen die ganze Zeit Besorgungen gemacht und alle zehn Minuten angerufen.
Spike zufolge war die Atmosphäre bei den Kranks sehr angespannt.
Vic Frohmeyer rief Ned Becker an, der bereits von Walt Scheel alarmiert worden war. Kurz darauf sprachen die drei über Konferenzschaltung miteinander, während Walt und Ned das Haus der Kranks im Auge behielten.
»Sie ist gerade wieder weggefahren, in ziemlicher Eile«, berichtete Walt. »Ich habe Nora noch nie so schnell davonbrausen sehen.«
»Wo ist Luther?«, wollte Frohmeyer wissen.
»Immer noch im Haus«, sagte Walt. »Sieht aus, als wären sie mit dem Baum fertig. Ich muss schon sagen — bei den Trogdons hat er mir besser gefallen.«
»Irgendetwas geht da vor«, bemerkte Ned Becker.
Nora hob eine Kiste mit Wein in ihren Einkaufswagen — sechs Flaschen Rotwein, sechs Flaschen Weißwein, auch wenn sie keine Ahnung hatte, warum sie überhaupt so viel kaufte. Wer sollte das alles trinken? Vielleicht sie selbst. Sie hatte zudem teures Zeug ausgesucht. Luther sollte ruhig die Galle überlaufen, wenn er die Kreditkartenrechnung bekam. Sie hatten in diesem Jahr zu Weihnachten so viel Geld sparen wollen — und nun musste man sich nur mal ansehen, wie tief sie deshalb in der Patsche saßen.
Am Eingang der Weinhandlung ließ ein Verkäufer gerade die Rollladen hinunter und schloss bis auf eine alle Türen ab. Der einsame Kassierer schleuste die letzten Kunden durch. Vor Nora befanden sich drei Kunden, hinter ihr stand noch einer. Da klingelte das Handy in ihrer Manteltasche. »Hallo«, meldete sie sich.
»Nora, hier ist Doug Zabriskie.«
»Hallo, Reverend«, erwiderte sie und fühlte auf einmal eine überwältigende Müdigkeit. Sein Tonfall verriet ihn.
»Wir haben hier ein kleines Problem«, begann er mit bedrückter Stimme. »Das typische Heiligabend-Chaos, Sie kennen das ja, alles geht durcheinander. Beths Tante aus Toledo ist ganz unerwartet zu Besuch gekommen, und das macht alles nur noch schlimmer. Daher wird es uns leider nicht möglich sein, heute Abend vorbeizuschauen und Blair zu begrüßen.«
Er klang, als hätte er Blair seit Jahren nicht mehr gesehen.
»Wie schade«, brachte Nora mit einer Spur von Bedauern heraus. Dabei hätte sie am liebsten gleichzeitig geflucht und geweint. »Dann vielleicht ein anderes Mal.«
»Sie sind mir nicht böse?«
»Natürlich nicht, Reverend.«
Sie wünschten sich gegenseitig ein frohes Fest und verabschiedeten sich. Nora biss sich auf die zitternde Unterlippe. Sie bezahlte den Wein, schleppte ihn achthundert Meter weit zu ihrem Wagen und schimpfte den ganzen mühevollen Weg lang über ihren Ehemann. Dann marschierte sie zu einem Supermarkt, boxte sich durch den Menschenauflauf am Eingang und lief auf der Suche nach Karamell durch die Gänge.
Sie rief Luther an, aber er nahm nicht ab. Wahrscheinlich befand er sich gerade auf dem Dach — das wollte sie ihm auch geraten haben.
Sie begegneten sich vor dem Regal mit der Erdnussbutter und blickten sich beide gleichzeitig ins Gesicht. Nora erkannte den roten Haarschopf, den orange-grauen Bart und die kleine schwarze Nickelbrille auf der Stelle, aber der Name des Mannes wollte ihr nicht einfallen. Er jedoch rief sofort: »Fröhliche Weihnachten, Nora!«
»Ihnen auch ein frohes Fest«, erwiderte sie und setzte rasch ein
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