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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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nicht. Bis zum Montag nach Epiphanias bleiben uns nur noch unsere Stiefel als Essen.« Philip blickte zu seinen eigenen abgetragenen Stiefeln hinunter. »Wenn wir dann noch Stiefel haben.«
     
    »Adam und Eva verbargen sich im Garten«, verkündete Ephraim Clough dem verwunderten Haushalt am nächsten Sonntag. Aus irgendeinem Grund hatte er sich außerhalb der Kapelle postiert. Er stand vor der Tür, seine Augen traten fast aus den Höhlen. »Doch der Herr erspähte sie in ihrer bedeckten Blöße. Und nun erfahre ich, dass ihre gefallenen Nachkommen die alte Sünde wiederholen und ihre Glieder umhüllen um der Behaglichkeit und Bequemlichkeit willen.«
    »Wovon redet er?«, flüsterte Philip John zu. »Was haben die hier zu suchen?«
    Neben der Kapelle wurden Schubkarren herangefahren, gefüllt mit Steinen und Kieseln. John schüttelte den Kopf.
    »Aber die Diener des Herrn lassen sich nicht täuschen.« Ephraim wackelte anklagend mit dem Zeigefinger, als wären die Männer und Frauen des Haushalts ungehorsame Kinder. »Gürtet euch das Feigenblatt um, und der Herr wird es wegreißen. Bemalt euch die Gesichter, wenn euch der Sinn danach steht. Der Herr wird sie sauberschrubben. Spottet Gottes, und er wird eurer spotten.« Seine Züge verzerrten sich zu einem Grinsen. »Und sein Spott ist eine harte Strafe.«
    Ephraim deutete auf Mistress Pole. Zwei Milizionäre ergriffen die magere Gouvernante. Sie kreischte, und ein dritter Soldat hob ihre
Röcke und enthüllte die Lumpenbündel, die um ihre Knie gebunden waren.
    »Reißt sie herunter!«, schrie Ephraim.
    Die Milizionäre rissen die Lumpen von Poles Beinen. Leises Protestgemurmel wurde unter den Mitgliedern des Haushalts laut, doch die anderen Soldaten erhoben ihre Musketen. Ephraim ließ seinen Blick über die Männer, Frauen und Jungen wandern.
    »Wer will der Nächste sein?«
    »Jemand hat es ihm verraten«, flüsterte Philip. »Kann nicht anders sein.«
    »Aber wer?«, fragte John. Dann sah er eine Bewegung. Lucretia trat vor, mit unbewegter Miene.
    »Ich werde meinen Haushalt anführen, Pastor Clough.«
    Als sie ihre Röcke hob und grobe Wollstrümpfe enthüllte, sah John einen lüsternen Ausdruck auf Ephraims Miene aufblitzen. Ringsum entledigten sich Männer und Frauen ihrer Polster und Binden. Auf ein Zeichen Ephraims wurden Mottes Gärtner von den Milizionären vorwärts geschubst. Sie fuhren die Schubkarren in die Kapelle und begannen den Inhalt auf den Fußboden zu schaufeln. Kiesel und Steine rollten klackend über die Steinfliesen.
    »Der Herr schlage euch mit Pein an Knien und Beinen«, rief Ephraim. »Nun betretet das Haus des Herrn, wie es euch zukommt. Auf den Knien.«
    Die Milizionäre scheuchten sie in die Kapelle. John spürte die Steine und Kiesel unter seinen Knien. In der ersten Reihe sah er Lucretias Haube. Die junge Frau kniete vor ihrem Haushalt, reglos und ungebeugt.
     
    »Wie viele Milizionäre sind es?«, fragte Adam Lockyer abends, während er sich die Knie rieb. »Zwei Dutzend? Wir sind mehr als doppelt so viele wie sie. Kranke und Schwache nicht gerechnet.«
    »Und wir haben einen Verräter unter uns«, sagte Philip mit finsterem Blick. »Wie hat Clough es erfahren?«

    »Wir könnten sie alle wegjagen«, beharrte Adam. Aber Mister Bunce schüttelte den Kopf.
    »Sie wären im Handumdrehen mit Marpot und der übrigen Bagage wieder da. Lady Lucretia hat ihm schon einmal heimgeleuchtet.«
    »Soll er doch kommen!«, sagte Adam trotzig. »Wir werden ihm auch diesmal heimleuchten ...«
    Aber Bunce schüttelte wieder den Kopf. »Denen nicht. Als Marpot erfuhr, dass der Bischof entwichen war, hat er allen Männern des Bischofs die Nasen aufgeschlitzt. Auch den Jungen.«
    »In Masholt hat er einem Mann die Hand abgehackt«, fügte Stone hinzu.
    »Und was wollen wir tun?«, fragte Adam. »Nichts?«
    Am anderen Ende des Tischs erinnerte John sich daran, wie er Ephraims ungeschlachtes Gesicht verlockend vor den Fäusten gehabt hatte. Doch dann rief er sich Lucretias Pakt mit Marpot in Erinnerung, worin er auch bestehen mochte. Die Stunden, die sie mit Clough in der Kapelle verbracht hatte. Sie hatte Yapp gerettet. Hatte Buckland gerettet ...
    »Wir können nichts tun«, sagte er.
     
    Das gleiche Ritual wiederholte sich am nächsten Sonntag und am Sonntag darauf. Ephraim Clough schien ausnehmendes Vergnügen an seinem neuen Regiment zu empfinden, und er redete, bis das Stöhnen und Jammern vom Boden ihn zu übertönen drohte. Seine Predigten

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