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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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zuckerbestäubtes Gelee, aus dem Rosenduft aufsteigt und das keine verhüllte Jungfrau kosten kann, ohne sich hinzugeben.
    Und auch in diesen fernen Landen können solche der Liebe förderlichen Süßspeisen erschaffen und dargeboten und verzehrt werden, sogar im tiefsten Winter, wie ich nun berichten werde ...

    DER SCHNEE FIEL IMMER DICHTER; die schweren Flocken tanzten kreiselnd vom Himmel, schwebten und wirbelten mit den Windstößen und türmten sich auf dem Boden zu Schneewehen. Ohne Verbindung zur Außenwelt ragte das Gutshaus von Buckland wie ein großes dunkles Schiff auf, das in einem weißen Meer vor Anker lag. Innerhalb seiner Mauern eilte die Mannschaft geschäftig umher, um sich auf die Reise durch den Winter vorzubereiten.
    John führte die Küchenleute auf Exkursionen in die verlassenen Küchengärten, von denen sie mit Körben voller Zuckerwurzeln und Möhren zurückkamen, mit dicken Lauchstangen und ledrigem Grünkohl, mit rotstieligem Mangold und weißbäuchigen Rüben mit violettem Hinterteil. Aus den Mieten holten sie körbeweise winzige Äpfel.
    »Ha!«, rief Mister Bunce. »Erinnert Ihr Euch an die, Master John?«
    Sie durchforsteten die Wälder nach Reisig und Kleinholz und trieben Schweine und Mutterschafe von dem Bauerngehöft hinunter. Die Schweine wurden in den Ställen untergebracht und die Schafe in den windschiefen Bretterbuden, deren Dächer unter dem Gewicht des Schnees ächzten. Inmitten von Blöken und Meckern der Tiere unterwies Mistress Gardiner Ginny, Meg und die anderen Dienstmädchen in der Kunst des Melkens. Die Hühner der Farm wurden bei Diggory Wings Tauben einquartiert.
    John räumte in Scovells Gemach auf, und Mistress Gardiner ließ ihm Bettzeug hinunterbringen. Jede Nacht, wenn die Arbeit in der Küche getan war, ging John mit einem Binsenlicht in der Hand durch die Gänge zu dem Gemach des Meisterkochs.

    Doch Scovells Zimmer war nicht sein Ziel. Er ging durch die Tür am Ende des Gangs, eilte durch die verlassenen Küchenräume und stieg die schmale Geheimtreppe zur Sonnengalerie hinauf, wo gespenstisches Mondlicht, das sich über die schneebedeckten Rasenflächen ergoss, durch die hohen Fenster hereinfiel. Wenn der Mond unterging, herrschte Finsternis in der Galerie. Doch unter dem Türspalt am Ende der Galerie war ein schmaler Lichtstreifen zu sehen, der aus dem Schlafzimmer fiel. Dort wartete Lucretia.
     
    In der ersten Nacht hatte sie unter ihm gezittert, und ihre dunklen Augen hatten ihn unverwandt angestarrt. Ihr Blick hatte ihn gelähmt, denn er wollte ihr nicht wehtun, wollte ihre zerschundenen Knie schonen. Doch zuletzt hatte Lucretia ihn zu sich heruntergezogen, und es war, als wäre ein Seil in ihrem Inneren durchtrennt worden. Sie breitete Arme und Beine aus. Er hörte sie keuchen und spürte, wie sie ihren Körper wölbte, um ihn aufzunehmen. Dann ließen sie sich zurückfallen. John tastete nach ihrer Hand.
    »Ich hätte nicht geglaubt, jemals solche Lust erleben zu dürfen«, sagte Lucretia.
    »Auch ich nicht«, sagte er neben ihr. »Und doch wurde sie uns gewährt.«
    Ihre Lust kehrte wieder in der nächsten Nacht und in der abernächsten. John erinnerte sich an die Frau in der Scheune. Wie ihm anfangs die Nervosität zu schaffen machte. Nun fühlte seine Zunge sich trocken in seinem Mund an, und sein Herz pochte wie wild. Aber sein Verlangen nach Lucretia wuchs.
    Sie sei schüchtern, erklärte sie ihm. Er musste sich abwenden, wenn sie sich mit ihrer Spitze und ihren Korsettstangen zu schaffen machte oder ihr Hemd auszog, bevor sie unter die Laken schlüpfte, ohne dass er es sah. Doch sobald sie einander berührten, gab sie jede Zurückhaltung auf. Sie zog ihn an sich und liebkoste mit den Händen die glatten Formen seines Rückens. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Und dann warf sie das Bettzeug
von sich und breitete die Arme aus, damit er sie nach Herzenslust ansehen konnte.
    Er machte Feuer im Kamin und betrachtete sie, wenn sie vor den Flammen stand, die Stirn runzelte, weil er sie ansah, oder einen Finger vor die Lippen hielt, um ihm Stillschweigen zu gebieten. Sie brachte ihr Buch mit und hielt seine zerrissenen und zusammengeflickten Seiten in das unstete Licht, die Bettdecke über ihren Schultern.
    Komm, lebe mit mir, mein Herz, mein Lieb,
Und koste alle Freuden, die
Täler, Haine und Hügel spenden,
Hochragende Berge und Wälder und Wiesen ...
     
    Ein Gürtel aus Stroh und Efeuknosp’,

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