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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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dem verlassenen großen Saal lockte der Gang des Ostflügels. Am Ende des Gangs war die Treppe, die zu Lucretias Gemach führte. Doch kein Licht drang von dort. Im Ziergarten waren die niedrigen Hecken bereits schneebedeckt. John öffnete die schwere Tür am Ende des Gangs und trat hinein. Seine Glieder fühlten sich schwerelos an, als er die Treppe hinaufstieg. Sein Herz pochte, als er die Tür zur Sonnengalerie öffnete. Wieder atmete er die stickige Luft. Nur dass nun noch ein anderer Duft in dem langen dunklen Raum hing, ein Duft, an den er sich erinnerte. Lucretia stand vor dem Fenstersitz.
    »Er ist gegangen«, sagte John.
    Er entsann sich ihres nackten Rückens, als er in die Kapelle gestürmt war, an ihren weißen Körper auf den dunklen Steinfliesen. Er spürte, wie sein Herz stärker pochte, als seine Schritte in der Galerie widerhallten. Als er sich näherte, hob sie eine Hand. Um sein Gesicht zu berühren, dachte er. Oder um über sein Haar zu streichen. Doch als er vor ihr stand, bewegte sie rasch ihren Arm. Und bevor John sich ducken konnte, schlug Lucretia ihm mit der Hand ins Gesicht.
    »Ich befahl Euch aufzuhören!«
    Der Schlag hallte ihm in den Ohren. John zuckte zurück und hielt sich die heiße Wange.
    »Damit er sich mit Euch vergnügen sollte?«
    Ihr zweiter Schlag traf ihn oben am Kopf, doch als sie zum dritten Mal ausholte, erwischte er ihr Handgelenk. Sie kämpften einen Augenblick; Lucretia war stärker, als er erwartet hätte.
    »Lasst mich los!«, zischte sie wütend.
    John schüttelte den Kopf.
    »Er kommt zurück. Mitsamt den anderen.«

    »Nicht heute Nacht«, sagte John. Er deutete hinter sie, wo das Mondlicht sich in den Überresten des Gewächshauses spiegelte. Die zerbrochenen Scheiben hatte der Schnee bereits mit seinem weißen Pelz verbrämt. Draußen fielen die Schneeflocken immer dichter.
    Sie antwortete, indem sie ihn wegstieß. Johns Schultern trafen gegen die Wandvertäfelung. Er roch Rosenwasser und ihren frischen Schweiß. Sie holte aus, um ihn wieder zu schlagen. Doch seine Finger hielten ihre Hand fest.
    »Lasst mich los«, befahl Lucretia.
    »Nein.«
    »Und was wollt Ihr tun?«
    Ihr Kopf war zurückgeworfen, ihre dunklen Augen waren auf ihn gerichtet. Er beugte sich vor, bis er ihren Atem auf seiner brennenden Wange spürte. Ihre freie Hand krallte sich um seinen Arm, um ihn wegzustoßen oder näherzuziehen – welches davon, wusste er nicht. Doch er sah, wie ihre Lippen sich öffneten. Und dann versiegelte er ihren Mund mit seinem. Sie standen dort, durch Lippen und Finger verbunden. Als er sie enger an sich ziehen wollte, entschlüpfte sie seiner Umarmung. Sie ergriff seine Hand und führte ihn durch die Galerie. Er folgte ihr zu der Tür an deren Ende.
    In dem Zimmer sahen sie einander an, atemlos und aufgeregt. Und im nächsten Augenblick machte sie sich an seiner Kleidung zu schaffen. Und er versuchte mit zitternden Fingern, sie zu entschnüren. Sekundenlang schaukelten sie in ihrer Umarmung. Dann ließen sie sich auf das Bett fallen.

Aus Das Buch des John Saturnall: Ein Festmahl für den Tag des heiligen Andreas , bestehend aus einer Bagatelle und einem Gürtel aus Zuckerwerk für ein geliebtes Weib .
    m Adams Liebe willen pflückte Eva einen Apfel und bereitete daraus ein Gericht. Salomon bewirtete die Jungfrauen, die sein Bett wärmten, mit Sorbets und Rosenkonfitüre. Und auch heute bezeigen wir unsere Zuneigung mit Gerichten und Festmählern.
    Kein Schnee fiel in Eden, soweit mir bis dato zur Kenntnis gelangt. Und Füchse suchten Salomons Gärten heim und nicht etwa selbsternannte Priester. Doch selbst im tiefsten Winter kann ein Koch seiner Herrin ein Geschenk darbieten, das den Glückseligkeiten nicht nachsteht, welche Liebende einander spenden.
    Wie man mir sagte, bieten die Spanier einander im traulichen Beisammensein das Lendenstück eines frischgeborenen Ferkels, und dieses zarteste Fleisch wird in Öl geröstet, gewürzt und zerteilt. Die Franzosen halten einander vor ihre Leckermäuler jene Vögel, die wir Feigenfresser nennen, gebraten und mit Zucker bestäubt und oftmals nicht einmal gerupft. Die Liebenden des Herzogtums Bayern verzehren süße Knödel aus Schweinefleisch, und jene aus Preußen knuspern kleine Kekse, die sie nach ihrer
ersten Herrscherin Widewuta deren Brustwarzen nennen. Die Römer essen fleißig Knoblauch und die Ungarn gar noch mehr, und auf den Märkten von Sidon zahlen liebeskranke Männer jeden Preis für ein

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