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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Ben Martin und Mister Fanshawe prüften die Rechnungsbücher im Zimmer des Haushofmeisters, erstellten Listen von Pachteinnahmen und Lehnszinsen, berechneten die Rückstände und machten sich auf, um sie einzutreiben. Schon bald übernahm Philip das Kommando über die dichtgedrängte Menge im Hof und gebot den widerspenstigen Männern mit der gesunden Hand Ruhe. Motte begann den Küchengarten neu zu bepflanzen. Und abermals nahm die Küchenbrigade von Buckland ihre Mahlzeiten im Untergeschoss ein.
    Das Wiederaufleben des Gutshauses sprach sich herum. Männer auf Arbeitssuche sprachen vor. Am anderen Flussufer brachten angeheuerte Helfer unter Adam Lockyers Aufsicht Dung aus. Männer und Jungen waren überall in den Gärten damit beschäftigt, zu graben, zu schneiden, zu korrigieren und zu pflanzen. Nur die Teiche wurden nicht angerührt. Unter der dunklen Wasseroberfläche schwammen die Fische träge im Tang.
     
    Im Haus wurden die Fenster des großen Saals neu verglast; in den Gängen herrschte reges Leben. John und Lucretia konnten nicht länger über den Tisch hinweg Blicke oder unter dem Tisch einen verstohlenen Händedruck tauschen oder einander gar in stillen Fluren zu umarmen wagen. Wenn es John gelang, Lucretia abzupassen, hatte er kaum Zeit, sie am Arm zu fassen, bevor Schritte nahten und sie ihn abschütteln musste.
    »Ich konnte nicht weg!«, zischte sie ihm zu, nachdem er wieder einmal vergebens in der Sonnengalerie auf sie gewartet hatte.
    Sie sahen sich immer seltener. Ein bis zwei Wochen mochten ins Land gehen, bevor sie ihre Verabredung einhalten konnten. Dann begegneten sie sich in einem Wirbel des Begehrens. Wenn John am Tag darauf seine
Schöpfkelle am Herd schwang oder die Gerichte für die kommende Woche mit Philip besprach, fragte er sich, ob er die nächtliche Begegnung geträumt hatte, so abrupt riss sie ihn aus seinem Alltag in der Küche.
    Doch gegen Jahresende deckte er am Tag des heiligen Andreas den Tisch in ihrem Gemach und erwartete sie mit einem üppig gefüllten Servierbrett. Sie nahm ihren Platz ein, und als er sich über sie beugte, blickte sie mit dem Löffel in der Hand wieder lächelnd zu ihm auf.
    »Wenn es Euch beliebt, Master Saturnall, könntet Ihr vielleicht bei mir sitzen?«
    Ihre Hüftknochen ragten nicht mehr hervor. Er konnte ihre Rippen nicht mehr unter der Haut zählen. Nur von Marpots Schlag blieb sie gezeichnet. Als sie miteinander im Bett lagen, strich John mit dem Finger über den Höcker.
    »Deine Braut mit der gebrochenen Nase«, flüsterte sie.
    »Könntest du es nur sein.«
    In jenem Winter waren Vorratsräume und Speisekammern wohlgefüllt. Beim Dreikönigsfestmahl wurde John von einem lächelnden Mister Fanshawe aus den Tiefen gerufen und folgte ihm die Treppe hinauf und an der alten Anrichte vorbei den Gang entlang in den großen Saal.
    Und wieder kamen die rotlivrierten Köche, Schankjungen, Spüljungen und Spießdreher hinter dem Schirm hervor und wurden zu den Bänken gebeten. Die Männer von Haushalt und Ländereien rückten zusammen, um Platz zu machen, bis der große Saal ein buntes Gemisch aus Rot, Grün und Violett war. Philip Elsterstreet sicherte sich einen Platz neben Gemma. Adam Lockyer und Alf beugten sich über den Tisch, um mit Ginny und Meg zu plaudern. Weiter weg sah John Mister Bunce und Mister Stone über ihren Bechern gähnen, und Simeon Parfitt wies mit einer zornigen Handbewegung drei krakeelende Küchenjungen zurecht. John war zumute, als wäre es in einem anderen Leben gewesen, als Simeon mit Tränen in den Augen in einen geschwärzten Tiegel gespäht hatte oder Scovell ihm die Schöpfkelle in die Hand gedrückt hatte.

    Sir Philemon habe die Vereinbarung vom Ausschuss genehmigen lassen können, erzählte ihm Lucretia. Die Vereinbarung habe Bestand, sagte Ben Martin, solange die Entschädigung gezahlt würde. John sah den Tisch entlang zu Mister Pouncey. Mister Fanshawe hatte John anvertraut, dass Mister Pouncey seine Tage damit zubrachte, mit Mistress Gardiner Schach zu spielen. Hinter der Wirtschafterin beugte Lucretia sich vor und zurück, wurde sichtbar und verschwand wieder aus seinem Blickfeld. Mit einem Nicken bedeutete John einem Servierdiener, seinen Becher zu füllen. Neben Mister Fanshawe versuchte Mistress Pole ein Lachen zu unterdrücken. Als die Spiele und Lieder ausgelassener wurden, erhoben sich die Damen, um zu gehen. Lucretia blieb hinter John stehen.
    »Komm heute Nacht«, flüsterte sie.
    Es wurde spät, ehe er

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