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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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störrisch die Zufahrt entlang, und die Kutsche der Callocks, die sie zogen, ruckelte nach links und rechts. Der Kutsche folgte ein Trüppchen plappernder Bediensteter.
    Piers Callock mache Lady Lucretia den Hof, erzählten sich die Jungen in der Küche kichernd. Jeder wusste das. Doch in diesem Augenblick wirkte sie keineswegs erfreut. Die Kutsche hielt schaukelnd vor den Stallungen, und ihr entstiegen ein beleibter rotgesichtiger Mann und danach eine schlanke Frau, deren Gesicht ein breitkrempiger Hut überschattete. Ein junger Mann, nur wenig älter als John, folgte. Als er Lucretia erblickte, winkte er und kam näher.
    »Lady Lucretia!«
    Das also war der berühmte Piers, dachte John. Ein langes bleiches Gesicht, bekrönt von einer großen weichen Mütze aus karmesinrotem Samt. Die geschlitzten Ärmel seines Wamses waren mit grüner Seide gefüttert, und dazu passende Strümpfe klebten an seinen Beinen. Ein Paar glänzende Schnallenschuhe suchte sich vorsichtig einen Weg durch das feuchte Gras. Unterhalb der Kopfbedeckung schien die Nase des jungen Mannes das Gesicht hinunterzutropfen und sich über dem Mund in einem Knollen zu sammeln. Piers blieb stehen und warf einen abschätzigen Blick auf Johns Wams, dessen Stoff ausgeblichen und von Flecken übersät war.

    »Du darfst gehen.«
    John verneigte sich vor Lucretia. Auf der anderen Seite des Teichs wiederholte der Reiherjunge die Geste. Doch als John sich anschickte zu gehen, sagte Lucretia schroff: »Ich hatte die Unterredung mit meinem Diener noch nicht beendet, Lord Piers.«
    John blickte abermals auf. Piers’ Blässe war das Ergebnis von Puder, wie er sah. Unter dem Puder waren die Wangen des jungen Mannes von gelblicher Färbung, und seine Nase überzog ein Netz geplatzter Äderchen. Piers blinzelte.
    »Ich habe ihm befohlen zu gehen«, sagte er.
    »Er ist mein Diener«, gab Lucretia zurück. »Und ich habe es ihm nicht befohlen.«
    John stand zwischen ihnen.
    »Euer Diener?« Unter dem Puder begannen Piers’ Wangen so rot wie seine Nase zu schimmern. »Ein Küchenjunge?«
    »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Lord Piers« – Lucretias Stimme klang wieder eisig – »ist Mister Saturnall Koch.«
    »Koch?« Piers hob die Augenbrauen in gespieltem Staunen, während er Johns dunklen Teint und seinen schwarzen Haarschopf inspizierte. Er verzog den Mund zu einem hämischen Lächeln. »Aber sieht er nicht eher aus wie ein Affe als wie ein Koch? Was meint Ihr, Mylady?«
    John sah Lucretia unentschieden die Stirn runzeln. Sollte sie John verteidigen oder Piers zustimmen? Ihr Blick wurde grimmiger, doch bevor sie die unerquickliche Wahl treffen konnte, waren Rufe vom Tor her zu vernehmen. Sechs livrierte Reiter trabten die Zufahrt entlang; der erste von ihnen trug eine blaue Standarte, die mit gelben Löwen bestickt war. John sah, wie Lucretia die Augen aufriss.
    »Dieses Wappen«, sagte sie. »Ist das das Wappen des Königs?«
    »Das ist es allerdings, Lady Lucretia«, sagte Piers selbstzufrieden.
    »Hier?«
    »Sir Sacherevell Cornish bringt die Fahne im Auftrag des Königs«, fuhr Piers fort. »Das war der Grund, warum ich mit Euch sprechen wollte. Allein.« Er warf John einen wütenden Blick zu.

    Lucretia ließ sich nicht gern zurechtweisen, wie John aus Erfahrung wusste. Er wartete auf ihre Erwiderung. Doch stattdessen klang ihre Stimme freudig erregt.
    »Im Auftrag des Königs?«, fragte sie. »Und warum?«
    Ihre Verärgerung war verflogen. Andächtig starrte sie Piers an.
    »Sir Sacherevell Cornish ist der Haushofmeister von Sir Philemon Armesley«, verkündete Piers in hochmütigem Ton. Sir Williams Gast, erinnerte sich John. Der unter Umständen sein Gericht kosten würde. Lucretias Stimme war eine Spur Enttäuschung anzumerken.
    »Nur ein Haushofmeister?«
    Piers bedachte sie mit einem arroganten Lächeln.
    »Ihr wart noch nicht bei Hofe«, sagte er. »Sir Sacherevell ist kein gewöhnlicher Haushofmeister. Sir Philemon, sein Herr, ist nicht nur einer der Herren des Geheimen Rates seiner Majestät, sondern außerdem ein hoher Beamter am Hofmarschallsgericht.«
    »Am Hofmarschallsgericht?«
    »In der Tat. Ich hatte verschiedentlich mit ihm zu tun, wie ich wohl sagen darf. Auf seinen Befehl setzen sich ganze Heere in Marsch.«
    »Heere?«, fragte Lucretia. »Was für Heere?«
    Piers’ Heiterkeit wuchs. »Heere von Bediensteten, meine liebe Lady Lucretia. Die Musketiere Sir Philemons sind Diener. Seine Spießträger sind Pagen. Und sein hochgeschätzter

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