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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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was du Master Palewick wirst sagen wollen ...«
    John nickte. Philip hatte recht. Seit ihrem Streit und vielleicht auch schon davor hatte Philip eigentlich immer recht gehabt. Eine Glasur, dachte er, als sie in den Raum der Vorbereitungsbrigade gingen. Mit Hirschhorn geliert. Oder mit Kalbsfuß, um ein kristallklares Gelee zu erzielen. Die essbaren Juwelen in den Tiefen des Gelees ...

    Er würde das Gericht vervollkommnen, das wusste er. So wie Simeon Parfitt lernen würde, die Töpfe zu überwachen, wie man es ihm auftrug. Er würde seine Schöpfung zum Leben erwecken, selbst wenn es hundert geschwärzte Töpfe erfordern würde.
     
    Er klärte Zucker und goss ihn von Topf zu Topf. Er mischte Teige und buk sie in einem von Vanians Öfen bei mildester Hitze. Er kochte Gelee aus Kalbsfüßen, das er zu einer Glasur eindickte. Zuletzt goss er eine klare Flüssigkeit auf den Tand, der in der Form lag. Ein Tag in Henry Palewicks kältester Vorratskammer, und das Gericht konnte präsentiert werden. In Scovells Gemach hielt der Meisterkoch eine Kerze hoch. Beide blickten auf das Dessert.
    Süßigkeiten, die wie Juwelen aussahen, glitzerten am Boden der Süßspeise. Zwischen verstreuten Münzen lag schief eine Krone. Scovell klopfte mit dem Fingernagel an die Glasur, brach ein Stück Teig ab und kaute.
    »Das ist der Teich, Master Scovell«, erklärte John. »Darin haben sich die Reichtümer des Königs in Süßigkeiten verwandelt. Nun kann er essen ...«
    »Ich verstehe«, unterbrach ihn Scovell. »Das Wasser ist klar. Die Glasur auch. Wie hast du das bewerkstelligt?«
    John schürzte die Lippen. Eigentlich wusste er selbst nicht, wie der Madeirazucker und die Aromen sich zu guter Letzt aufgelöst und geliert hatten, abgesehen davon, dass nur bei allergelindester Wärme die Speise nicht ausflockte und die Klarheit des Teiches nicht von Schwärze getrübt wurde. Für die Glasur hatte er ein heißes Eisen über die Oberfläche gehalten und es langsam vor und zurück geführt.
    »Ich habe es über die Wärmepfanne gehalten, bei kleinem Feuer.«
    Scovell nickte zustimmend.
    »Geduld«, sagte er. »Vielleicht ermangelte es Tantalus daran. Und daran, das Wesen seines Herren zu begreifen. Aber diesen Irrtum werden wir nicht begehen, John.«
    Wieder das Rätsel. Aber wer war Scovells Herr?

    »Bring das in die Kühlkammer zurück«, befahl ihm der Meisterkoch. »Und bitte Master Palewick, darauf achtzugeben. Sir Williams Gäste werden es kosten. Sir Sacherevell Cornish steht im Dienst Sir Philemon Armesleys, wie Mister Pouncey mir sagte. Und Sir Philemon dient niemandem als dem König ...«
    John nickte, noch immer verblüfft. Was spielte es für eine Rolle, wer die Glasur durchbrach, die er mit so viel Mühe hergestellt hatte? Oder wer das Gelee löffelte? Die Vollkommenheit lag allein in seiner Hand. Seine Gedanken beschäftigten sich schon wieder mit seinem Gericht. Hirschhorn führte zu einem klareren Gelee, dachte er sich an jenem Sonntag. Andererseits dauerte es lange, die Späne aufzulösen ... Nach dem Kirchgang trödelte er in der Sonne ein wenig herum und wanderte auf die Wiesen hinaus. Ein lautes Platschen ließ ihn zusammenschrecken.
    Am Ende der Teiche stand eine Gestalt, die er kannte. Es war Coake, der einen Erdklumpen in der Hand hielt. Barlow und Stubbs taten es ihm nach. Ihnen gegenüber stand der Reiherjunge. Der Anblick seiner Peiniger schien ihn in heillose Verwirrung zu versetzen. Er trat zögernd einen Schritt vor und dann wieder einen Schritt zurück. Seine Flügel schleiften am Boden. John rief über den Teich:
    »Lasst ihn in Ruhe!«
    Die drei Jungen mit ihren Wurfgeschossen in der Hand drehten sich zu ihm um. Der Reiherjunge hinter ihnen blickte ratlos drein. John winkte ihm zu, um ihn wegzuscheuchen, aber der Reiherjunge ahmte seine Gesten nur nach. Und da kam John vor dem schlammmigbraunen Teichwasser ein Einfall.
    »Wieder mit Scovell beim Geheimsabbat gewesen?«, rief Coake spöttisch.
    »Was schert es dich?«
    John machte eine wegwerfende Geste. Auf der anderen Seite des Teichs ahmte der Reiherjunge seine Armbewegung nach. Langsam hob John beide Arme. Hinter den drei Quälgeistern hoben sich die Schwingen des Reiherjungen.

    »Gibst du endlich auf, Vogelscheuche?«, höhnte Coake. »Hast du endlich gemerkt, dass du bei uns nichts zu suchen hast? Du hättest besser ...«
    Aber John sollte nie erfahren, was er besser hätte tun sollen. Er ließ die Arme fallen und sah, wie die Schwingen des

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