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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Späher ist Sir Sacherevell. Selbstverständlich ist er auch gekommen, um die Arbeit eines Haushofmeisters zu tun. Löffel zu zählen und die Zimmer auszumessen. Aus den Fässern im Keller zu kosten und die Gerichte aus der Küche zu probieren. Vielleicht wird er verkosten, was dieser Euer Koch anbietet. Hoffen wir, dass sein Können der Anforderung gewachsen sein wird.«
    Beide sahen John herablassend an.
    »Welcher Anforderung?«, fragte Lucretia.
    Sie starrte John an, als wäre die Antwort in ihm verborgen. John erwiderte ihren Blick kühl. Piers schenkte Lucretia einen Blick voll gnädiger Huld.

    »Als ich zuletzt bei Hofe weilte, erfuhr ich es aus verlässlicher Quelle«, erklärte er von oben herab. »Wenn Sir Sacherevells Bericht an seinen Herrn günstig ausfällt und wenn Sir Philemon sich ohne Einschränkungen dafür verwendet, dann, so scheint mir, bedeutet das Kommen Sir Sacherevells, dass Seine Majestät sich hier einfinden könnte.«
    Lucretia runzelte die Stirn. Dann begann sie zu begreifen. Sie öffnete die Lippen. Die gerunzelte Stirn wich einem Ausdruck ungekünstelter Aufregung. Vielleicht, dachte John, gab es doch einen ganz bestimmten Zucker, der das sauertöpfe Wesen Lady Lucretias versüßen konnte.
    »Der König?«, fragte sie Piers begierig. »Der König kommt zu uns?«

    In den Dachkammern setzte diese Nachricht das Gerede der Dienstmädchen in Gang. In den Gesindestuben erörterten Dienstleute des Haushalts gewichtige Fragen der Etikette. In der Küche löste die Neuigkeit wildes Spekulieren aus.
    »Mein Großvater hat den König gesehen«, berichtete Phineas Campin, als er nach dem Dünnbier griff, das über dem Herd stand. »In Soughton in seiner Kutsche. Er war da zur Wasserkur, und hinterher war die Gicht weg. Die von meinem Großvater. Nur weil er den König gesehen hatte.«
    »War aber ein anderer König, oder?«, sagte Adam Lockyer, der mit der Fläche eines Hackmessers Stücke von Hammelfleisch klopfte. Simeon Parfitt drehte den Kopf hin und her, während seine Hände mit der Gans beschäftigt waren, die vor ihm lag.
    »Ist doch Jacke wie Hose«, sagte Alf von der Tür aus. »König ist König, hat meine Schwester immer gesagt. Ist doch wurscht, wer es ist.«
    »Dann könntest du es auch sein, Alf«, sagte Luke Hobhouse, der hereinkam.
    »Ich hab von einem Flickschuster in Elminster gehört«, meldete sich Colin von dem Tisch unter dem Abtropfbrett. »Eines Tages kam ein abgerissener Bursche in seinen Laden. Ohne Hut. Löcher in den
Schuhsohlen. Und der Flickschuster hat ihm die Stiefel um Gotteslohn geflickt, und dann hat sich rausgestellt, dass es der König in Verkleidung gewesen war. Dieser Flickschuster hat nie wieder eine Ahle anrühren müssen.«
    »Wer hat dir das erzählt?«, fragte Luke herausfordernd. »Calybute Pardew? Auf jeden dieser Flickschuster kommen hundert Edelmänner. Und jeder von ihnen greift dem König in die Tasche.«
    Am anderen Ende des Raums erinnerte John sich an das Bild im Mercurius Bucklandicus , den Ben Martin erworben hatte. An den Mann mit den traurigen Augen und dem prachtvollen Hut. In diesem Augenblick erschien Quiller am Fuß der Treppe.
    »Man bringt einander Trinksprüche aus«, verkündete er. Am anderen Ende der Küche nickte Master Scovell, und John sah sich nach dem letzten Gericht um: nach seiner glänzenden durchsichtigen Süßspeise. Als sie die Treppe hinauf verschwand, stellte er sich vor, wie Sir Sacherevell die Zuckerglasur durchstieß, um in die Tiefe zu gelangen. Während Lucretia zusah, wie er annahm. Und Piers.
     
    »Eines Königs würdig«, hatten Sir Sacherevells Worte gelautet, wie Scovell John später berichtete. Der Höfling hatte sich erhoben und hatte seine Zufriedenheit bezeigt, indem er eine kleine Krone aus Zuckerwerk an der Spitze seiner Gabel vorwies.
    »Du hast also Seine Majestät verlockt«, hatte der Meisterkoch lächelnd gesagt.
    Wagenladungen von Balken und Brettern wurden in den äußeren Hof gebracht. Handwerker arbeiteten wie besessen. Von der oberen Wiese aus und der Quelle konnte man eine lange Reihe gebückter Rücken sehen, die sich mit Hacken und Spaten den Abhang hinuntermühte. Aus einem Graben gurgelte Wasser in eine neu gegrabene, schieferverkleidete Zisterne. Master Jocelyns Männer entluden Eichen- und Eschenbretter, setzten sie zusammen und schlugen Nägel ein. Das Skelett einer Bretterbude entstand und erstreckte sich eine Seite des Hofs entlang. Männer erkletterten Leitern, balancierten auf

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