Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
wohin fahren wir, wenn ich fragen darf?«
»Das wird dich jetzt vielleicht überraschen, aber ich habe auch was getan, während du weg warst.« Er stieß sie mit dem Ellenbogen an. »Wir wollten ordentliche Recherchearbeit machen, erinnerst du dich? Du hast gerade was immens Wichtiges erwähnt. Frieders Kollegen. Die stehen doch ganz klar auf der Abschussliste. Genauer gesagt diejenigen, die mit ihm auf der ›Fritz Straßmann‹ waren. Da stellt sich für mich die Frage, ob der Mörder nicht auch an Bord gewesen ist. Und zum Glück führt man auf Schiffen Logbücher, in denen die Namen der Besatzung stehen. Da fahren wir hin. Zu den Logbüchern der ›Fritz Straßmann‹ . «
»Und es gehört selbstverständlich zu einer guten Allgemeinbildung, wie du sie dank deiner Nonnen genossen hast, dass man weiß, wo diese Logbücher stehen. Richtig?«, giftete Katja.
»Nein, aber Harry weiß so was.«
»Harry, Harry …«, murmelte sie. »Der Harry, mit dem du in Australien unterwegs warst? Der Taucher mit dem Haibiss?«
Er nickte. »Er macht jetzt regelmäßig Fotostrecken für ›mare‹. Den habe ich angerufen. Er meinte, das Archivieren von Logbüchern wird in der Regel von den Eignern eines Schiffes übernommen. Dann war mir relativ schnell klar, wo wir suchen müssen. In Geesthacht. Im Helmholtz-Zentrum.«
»Sorry.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich stehe immer noch auf dem Schlauch.«
»Die ›Straßmann‹ war ein Forschungsschiff«, erklärte er ungeduldig. »Das Institut, in dessen Auftrag sie gebaut wurde, ist in Geesthacht.«
»Okay«, sagte sie vorsichtig. »Ich bin mir nur nicht ganz sicher, was uns das bringen soll. Was erwartest du denn? Dass da in den Logbüchern steht: ›Hans Müller hatte einen handfesten Streit mit Peter Frigge, Frieder Jakobs, Horst Johnsen und so weiter, und er hat gedroht, sie alle in zwanzig Jahren einen nach dem anderen umzubringen?‹«
»Jetzt werd mal nicht frech, Madame.« Er drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Wir gehen doch davon aus, dass der Mörder so ein durchgeknallter Neuheide ist, der hier aus der Gegend kommt. Wenn wir eine Liste mit den Namen der anderen Seeleute anlegen, die zeitgleich mit den AKW-Jungs an Bord gewesen sind, kannst du diese Liste morgen Lüdersen zeigen. Und wenn wir Glück haben, sagt ihm einer der Namen was. Oder hast du eine bessere Idee?«
Nein, die hatte sie ehrlich gesagt nicht. Also hielt sie die Klappe und fand sich damit ab, dass sie inzwischen alle beide dazu bereit waren, im Zuge ihrer Ermittlungen auch noch nach dem allerletzten Strohhalm zu greifen.
Als die Straße nach wenigen Minuten in ein Waldstück südlich von Geesthacht hineinführte, fiel Katja auf, dass sich zwischen flechtenüberwucherten Betonpfosten engmaschige Gitternetze spannten, die oben zusätzlich mit Stacheldraht gesichert waren.
»Wozu dieser Zaun?«, fragte sie Bernd. »Woran wird hier noch mal geforscht?«
»Der Zaun ist noch von früher«, sagte er. »Da hieß das Zentrum GKSS. Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt. Auf dem Gelände waren bis vor ein paar Jahren zwei Forschungsreaktoren in Betrieb. Sie gehörten zu den größten überhaupt in Deutschland. Da brauchte man so einen Zaun.«
Sie bogen von der Landstraße auf eine zweispurige Zufahrt ab. Bernd stellte den Jaguar auf einem kleinen Besucherparkplatz ab.
»Denkst du, wir können da einfach so hineinspazieren?«, fragte Katja beim Aussteigen.
»Es gibt zumindest einen halböffentlichen Teil des Geländes, der nicht so streng überwacht wird«, sagte er, während sie auf ein Pförtnerhäuschen mit weiß-roter Schranke zugingen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hier ihre Archive genauso abriegeln wie die ehemaligen Reaktoranlagen. Lass deinen Charme spielen.«
Innerlich hatte sich Katja schon fünf Sätze über das hehre Ziel ihres ursprünglich geplanten Artikels zurechtgelegt, doch als sie den Pförtner sah – Mitte fünfzig, dunkler Rollkragenpullover, goldener Ohrring –, verwarf sie ihre einstudierte Eröffnung und setzte auf eine völlig andere Karte. Sie gab sich zaghaft und betroffen, als sie auf das »Was kann ich für Sie tun?« des Mannes hin davon erzählte, sie sei für die Beerdigung ihres Onkels zuständig, der früher zur See gefahren war. Er horchte sofort auf, und sein neutraler Gesichtsausdruck wurde verständnisvoller. Sie hatte sich nicht getäuscht: Sie hatte einen ehemaligen Seemann vor sich. Der Ohrring hatte ihn verraten. Wie
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