Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
ihr rotes Haar unter ihrer Uniformmütze verborgen war, so wie jetzt.
Er stieg aus und hörte aus der Böschung das leise Knacken von brechenden Zweigen und »Hallo? Hallo?«-Rufe.
»Was ist hier los?«, fragte er Nadine.
»Ein Verkehrsunfall.« Sie winkte ihn zu sich heran. »Der Fahrer ist von der Straße abgekommen.«
Von der Stelle aus, an der sie stand, war die frische Schneise nicht zu übersehen, die ein Auto in das Unterholz gepflügt hatte. Es musste mit beachtlicher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein, als es erst einige der jüngeren Schösslinge niedergewalzt hatte und dann gegen einen Baum etwas tiefer im Dickicht geprallt war. Es lag auf dem Dach, das Heck steil nach oben gerichtet, die Kofferraumklappe aufgesprungen wie der Unterkiefer eines hungrigen Mauls. Möhrs weigerte sich, zu glauben, was er da vor sich sah. Einen Audi 80. Rot. In der Cabrio-Variante. »Wo ist der Fahrer? Ist er tot?«
»Nein, das ist ja das Komische«, sagte Middendorp. »Er ist weg.«
»Wie? Weg?«
»Nicht mehr da.« Sie zuckte die Achseln. »Deshalb suchen die anderen den Wald ab. Vielleicht steht der Fahrer unter Schock. Wir haben das Kennzeichen überprüft. Der Halter des Wagens heißt –«
»Ich weiß, wie er heißt«, sagte Möhrs. »Gernot Burmester.«
Middendorp sah ihn verblüfft an.
»Ich war heute Morgen bei ihm«, klärte er sie auf. »Und da habe ich sein Cabrio gesehen.«
Er ging zu dem Unglückswagen. Dort angekommen, trat er auf die offen stehende Fahrertür zu, stützte sich mit einer Hand am Unterboden ab und warf einen Blick in das Wrack. Fliegen surrten. Glasscherben glitzerten auf der blutverschmiertenKopfstütze und der schwarzen Innenverkleidung des Dachs. Vom Schaltknüppel hing eine prall gefüllte Sporttasche. Der Motor tickte und tropfte. Es stank nach Öl und Scheibenwischerflüssigkeit, nach Blut und Exkrementen.
Möhrs richtete sich auf und ignorierte die fragenden Blicke Middendorps. Das war eine Menge Blut da drin. Burmester musste schwere Verletzungen davongetragen haben. Wie hatte er die Kraft gefunden, sich aus dem Auto herauszuwinden? Und wie war er in seinem Zustand noch so weit gekommen, dass seine Kollegen Mühe hatten, ihn aufzuspüren? Die Ahnung, was hier tatsächlich vorgefallen war, stieg von irgendwo tief unten aus seinem Gedärm auf, das sich in einem kurzen Krampf schmerzhaft zusammenzog. Was, wenn Burmester das Wrack gar nicht aus eigener Kraft verlassen hatte?
Möhrs griff zu seinem Handy und wählte Aysel Özens Nummer.
»Ja?«
»Aysel, ich bin’s. Lukas.«
»Alles klar bei dir?«, fragte sie besorgt. »Du klingst komisch.«
»Ich bin nur ein bisschen im Stress«, erwiderte er und entschied sich damit für eine gehörige Untertreibung. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Wenn ich dir Bilder von einem Autowrack schicke, kannst du dann eine Einschätzung abgeben, ob die Insassen eine Chance hatten, den Unfall zu überleben?«
Sie schwieg.
»Hallo? Aysel? Bist du noch dran?«
»Ja, ich bin noch dran«, seufzte sie.
Sie klang enttäuscht. Er hatte eine klare Vorstellung, warum. Wahrscheinlich hätte es ihr sehr gefallen, wenn er sich häufiger privat bei ihr gemeldet hätte. Das letzte Mal, dass sie sich nicht aus rein beruflichen Gründen gesehen hatten, warum Weihnachten gewesen. Ein Abend im Kino. Und jetzt war schon wieder Ostern vorbei. Er wünschte selbst, es wäre anders, aber er war nun einmal, was er war: ein Feigling, der sich vor Jahren ordentlich die Pfoten verbrannt hatte. Aber darüber konnte er sich im Augenblick keine Gedanken machen. Er hatte einen Fall zu lösen, und wenigstens dafür sollte doch auch Aysel ein gewisses Verständnis haben. »Also, was ist? Kannst du mir weiterhelfen?«
»Nein«, sagte sie trocken.
»Nicht?« Er ließ den Kopf hängen.
»Nein, das ist absolut nicht mein Fachgebiet, und ich spekuliere nicht gern.«
»Ich weiß.« Er räusperte sich. »War auch nur so eine Idee von mir.«
Sie lachte. »Wie kann man nur so schnell aufgeben?«
»Was?«
»Nur weil ich gesagt habe, dass ich dir nicht weiterhelfen kann, bedeutet das nicht automatisch, dass ich nicht jemanden kennen würde, der mit solchen Bildern etwas anfangen könnte.«
»Ach so.« Er atmete auf. »Wenn die Kollegen noch keine Bilder gemacht haben, mache ich schnell welche. Und, Aysel, das ist echt nett von dir.«
»Keine Ursache. Aber eins muss ich noch loswerden, Lukas.«
»Ja?«
»Ich warte nicht ewig darauf, dass du über deinen Schatten
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