Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
passen.«
»Schieß!«
»Nicht, bevor du zuschlägst.« Möhrs spielte nicht den harten Hund. Er hatte Klaws durchschaut, und er weigerte sich, zum Erfüllungsgehilfen eines Suizids zu werden. Nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Warum hatte Klaws denn noch nicht zugeschlagen? Sein Zögern konnte nur zwei Dinge bedeuten: Entweder er war beileibe nicht so fest entschlossen, seinem Leben ein Ende zu machen, wie er Möhrs gegenüber den Eindruck erwecken wollte. Das war die Variante, auf die Möhrs baute, weil die andere ihm geradezu grotesk erschien. Dass Klaws sich davor fürchtete, Möhrs mit dem Beil niederzustrecken, bevor er sich die ersehnte tödliche Kugel einfing. »Hast du dir das gut überlegt?«
»Halt die Fresse und mach schon!«
Möhrs fand Mut in zwei Dingen: dem Gewicht der Waffe in seiner Hand und dem Wissen, dass dieses Duell ein ungleiches zu seinen Gunsten war. »Was ist mit Tina?«, sprach er einen von Klaws’ wunden Punkten direkt an. »Hast du mal daran gedacht, wie sie sich fühlt, wenn du diese kleine beschissene Nummer hier durchziehst?«
»Ich tu das doch für sie«, keuchte Klaws. »Lieber ein Ende mit Schrecken. Dann bin ich fort, und sie kann mich abhaken. Ihr eigenes Leben weiterleben. Ich will nicht, dass sie mich im Knast oder in der Klapse sieht. Das hat sie nicht verdient.«
»Ach ja?« Es war die abstruse Logik eines Nervenzusammenbruchs, die Möhrs da hörte. »Findest du nicht, das sollte sie selbst entscheiden?«
»Nein.« Klaws schüttelte den Kopf. »Nein.«
Möhrs dachte zuerst, es wäre eine Antwort auf seine Frage. Dann bemerkte er die Tränen in Klaws’ Augen und dass der Blick seines Gegenübers plötzlich weder ihm noch seiner Pistole galt. Der enttarnte Feuerteufel sah zur Wache hinüber. In derselben Tür, durch die Möhrs vor wenigen Minuten in den Hof getreten war, stand Tina Haas. Zentimeter für Zentimeter sank das Beil nach unten, als würde ihr Erscheinen Klaws die Kraft rauben. »Nein«, murmelte er. »Nein.«
Haas kam über den Hof auf sie zu, mit zögernden Schritten, wie wenn sie sich auf einen zugefrorenen See wagte.
Möhrs ging volles Risiko und steckte die Pistole zurück in den Halfter. Klaws achtete nicht mehr auf ihn. Mit halb geöffnetem Mund stierte er zu seiner Verlobten. Möhrs packte ihn am Arm, drückte das Beil vollends nach unten, nahm es ihm aus der Hand und warf es zur Sicherheit unter den Wagen. Klaws zeigte keine Regung. Offenbar war es eine Sache, sich von einem Polizisten erschießen zu lassen, aber eine ganz andere, wenn die Person, die man mit dieser wahnsinnigen Aktion zu schonen gedachte, als Augenzeugin vor Ort war. Erst als sie bis auf wenige Schritte herangekommen war, sackte Klaws auf die Knie und ließ den Kopf hängen wie ein geschlagener Krieger.
»Thorsten!« Haas rannte das letzte Stück zu ihm hin, als würde sie aus seiner Schwäche neue Kraft schöpfen, und zog ihn an sich. Sie weinte stumm, während er sein Gesicht in ihrem Schoß vergrub.
Möhrs rieb sich den Nacken. »Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen im Auto warten.«
»Und dann?« Haas erwiderte trotzig seinen vorwurfsvollen Blick. »Dann hätten Sie ihn erschießen müssen. Und unser Kind hätte keinen Vater mehr.«
Ein Detail aus seiner Unterredung mit ihr neben der Wippe in der Kita blitzte in Möhrs’ Gedächtnis auf. Die Hände, die sie ständig vor ihren Bauch gehalten hatte. »Sie sind schwanger.«
Sie nickte. »Zweiter Monat.« Ihre nächsten Worte waren an Klaws gerichtet, der sich noch immer fest an sie presste, die Arme um ihre Hüften geschlungen wie ein Ertrinkender. »Ich wollte es dir noch nicht sagen. Es war meine Überraschung für die Hochzeit.«
Möhrs ertrug dieses Drama nicht mehr. Er ging halb um den Löschzug herum und verständigte per Handy seine Kollegen von der Schupo, die ihm einen Einsatzwagen und einen Notarzt schicken sollten. Um zu erkennen, dass Klaws im Moment nicht vernehmungsfähig war, brauchte man kein Psychiater zu sein. Es war besser, wenn jemand vom Fach ihn zumindest in den nächsten Stunden im Auge behielt.
Zwanzig Minuten später saß Möhrs auf der Motorhaube seines Dienstaudis und fragte sich einmal mehr, warum er jemals mit dem Rauchen aufgehört hatte. Er hätte stolz auf sich sein sollen. Zwei gelöste Fälle an einem Tag war keine schlechte Quote. Barswick würde ebenfalls zufrieden sein, denn jetzt hatte er die nötigen Erfolge vorzuweisen, um an den richtigen Stellen eine Empfehlung
Weitere Kostenlose Bücher