Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Foto. Das von Veronika und Klaus in der Küche. Als er es fand, löschte er es. Bis auf Klaus’ beklagenswerten Zustand war alles daran sowieso nur Täuschung und Illusion. Er packte die Kamera weg und setzte sich zurück an seine Bücher.
Zehn Minuten später las er die dritte Variante einer Sage, laut der Odin sein Auge geopfert hatte, um im Gegenzug in die Geheimnisse der Magie eingeweiht zu werden, die ansonsten allein Frauen vorbehalten waren. Es klopfte an der Tür. »Stell den Kaffee bitte einfach draußen ab!«
Er wartete, bis Veronikas Schritte auf dem Gang verklungen waren, ehe er das Tablett zu sich ins Zimmer holte. Sie hatte gleich eine ganze Kanne gekocht und ihn reichlich mit Zuckerbeutelchen und einem Kännchen Milch bedacht. War das ein Versöhnungsangebot? Nie im Leben. Es war nur professionelle Höflichkeit. Also genau das, was er bislang tragischerweise mit zurückhaltender Zuneigung verwechselt hatte. Was war er bloß für ein Idiot?
Inzwischen hatte sich das Tageslicht doch der Dämmerung geschlagen gegeben. Er trug das Tablett auf die Terrasse, setzte sich und trank eine Tasse Kaffee. Selbstverständlich rauchte er einen Zigarillo. Beides schmeckte ihm nicht. Der Kaffee war zu bitter, der Zigarillo zu lose gestopft. Das einzig Erträgliche war der feine Schleier des Abendrots am Horizont. Warum konnten nicht alle Dinge so angenehmzu Ende gehen? Er goss sich Kaffee nach und schnippte den Zigarillo in einem kleinlichen Akt nutzlosen Aufbegehrens ins nächste Gebüsch. Er leerte seine Tasse in einem einzigen Zug, als enthielte sie irgendeine widerwärtige Arznei, und kippte das, was noch in der Kanne war, ins Klo. Zurück im Zimmer, beschloss er, die Bücher fürs Erste Bücher sein zu lassen. Sie waren in seinem Zustand viel zu anstrengende Lektüre. Er brauchte eine Pause. Nur eine kurze. Er schaltete den Fernseher ein und setzte sich aufs Bett. Eine billig produzierte Vorabendserie über die unspektakulären Sorgen und Nöte junger, hipper Großstadtbewohner saugte ihm die tristen Gedanken aus dem Schädel. Bald hatte er sich lang ausgestreckt und die Arme hinter dem Kopf auf dem Kissen verschränkt. Das aufgeregte Geschnatter zweier Praktikantinnen einer Werbeagentur, die sich darüber stritten, wer es von ihnen am ehesten verdient hatte, sich den Juniorchef zu angeln, wiegte ihn in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
96
Im schwindenden Licht des Tages hatte der Löschwagen auf dem großen Hof hinter der Feuerwache die Farbe geronnenen Blutes. Auf der dem Gebäude zugewandten Seite waren die Rollklappen geöffnet. Sie gaben den Blick auf die umfangreiche Ausrüstung zur Brandbekämpfung frei, die im Innern des Vierzehntonners verstaut war: Schläuche, Spritzen, Pumpen und anderes technisches Gerät, dessen genauer Verwendungszweck Lukas Möhrs unbekannt war. Er beeilte sich nicht, die kurze Strecke über den Hof zurückzulegen. Noch hatte er keine Strategie, wie er Thorsten Klaws gegenübertreten wollte. Einen Pluspunkt konnte er indes schon verbuchen: Als er Tina Haas gebeten hatte, ihren Verlobtenanzurufen, war Klaws sofort an sein Handy gegangen. So war Möhrs wenigstens eine aufwendige Suchaktion erspart geblieben.
Klaws – in schweren Stiefeln, klobigen Uniformhosen und einem leicht zerschlissenen blauen T-Shirt mit der Aufschrift »Feuerwehr« auf dem Rücken – stand vor dem Löschwagen und inspizierte die Ausrüstung. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand, auf dem er routiniert Haken hinter Positionen auf einer Checkliste setzte. Als er Möhrs bemerkte, drehte er sich um. Seine Augen weiteten sich, dann legte sich seine Stirn in Falten. »Was willst du denn hier?«
Möhrs beschloss, nicht lange mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten. Ihm war nicht nach albernen Spielchen zumute. »Ich habe mit Tina gesprochen.«
»So?« Klaws schloss die Rollklappen und verriegelte sie, um danach durch die Seitentür in jenen Bereich des Wagens hineinzuklettern, in dem bei einem Einsatz die Mitglieder des Löschzugs saßen. »Worüber denn?«
»Über dein sonderbares Verhalten in letzter Zeit.« Gott, warum musste Klaws den Unschuldigen spielen? Warum brachte er es nicht einfach hinter sich? »Seit es diese Brandserie gibt, um genau zu sein.«
Klaws bückte sich halb unter eine der Sitzbänke. »Wen wundert’s? Ich habe viel um die Ohren. Auch ohne diese Feuer. Die Hochzeit. Das Haus. Und Tina macht aus allem einen Staatsakt. Kann sein, dass ich mich ihr gegenüber ab und zu im Ton
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