Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Brust in seine Achsel überging. »Wenn du dich so aufhängst wie Lüdersen und dann dein volles Gewicht hier lastet, schneiden die Riemen dir ins Fleisch und blockieren dabei Blutgefäße. Dein Herz pumpt aber weiter Blut an diese Stellen, und deshalb schwillt das Gewebe dort an. Es verfärbt sich nach und nach rot und dann blau. Also hatte ich erwartet, dass wir bei Lüdersen solche Schwellungen finden. Haben wir aber nicht. Kannst du mir folgen?«
»Ja.« Möhrs öffnete die Tür, weil ihm der Innenraum des Polos viel zu eng und stickig vorkam. »Ich denke schon. Sein Herz hat nicht mehr geschlagen.«
Özen nickte. »Es spricht alles dafür, dass er bereits tot war, bevor er an diesem Baum hing.«
»Das heißt, dass ihn jemand dort hingehängt haben muss. Für uns. Damit wir ihn finden.« Möhrs’ Gedanken rasten ebenso wie sein Puls. »Damit wir meinen, der Mörder wäre tot. Und damit der echte Mörder weitermachen kann.«
99
Horst Johnsen hatte die Situation gründlich durchdacht. Ganz egal, von welcher Seite aus er sich dem Problem auch näherte, es gab nur eine einzige praktikable Lösung. Sie stellte ihn zwar vor die wahrscheinlich folgenschwerste Entscheidung seines Lebens, doch er war nie ein Drückeberger gewesen. Wenn es hart auf hart kam, musste man eine Sache durchziehen. Etwas Schreckliches tun, um etwas noch viel Schrecklicheres zu verhindern. Koste es, was es wolle. Es würde ihm nicht leichtfallen, aber wenigstens war er nicht allein.
Er hätte es ihm nie verraten, aber er war erleichtert darüber gewesen, dass Ritter heute Morgen zu ihm zurückgekrochen gekommen war wie ein geprügelter Hund. Was Ritter ihm dann gebeichtet hatte, hatte ihn letzten Endes nur noch in seinen Absichten bestärkt.
»Ich habe mir gedacht, ich verstecke mich im Haus von Frieder«, hatte ihm Ritter seine jüngste Idee erläutert, die wenig überraschend in ein Fiasko gemündet war. »Unten im Keller. Ihn hatte sie doch schon erwischt. Also meinte ich, da wäre ich sicher vor ihr. Warum sollte sie noch mal dort nachschauen? Und sie hat ja auch nicht mehr nachgeschaut. Und woher hätte ich wissen sollen, dass Frieders Nichte dort herumstöbern will?«
Der entscheidende Lichtblick in Ritters Gefasel war, dass das Foto, das die beiden Störenfriede aus dem Versteck im Schrank geholt hatten, durch den Brand beschädigt worden war. So sehr, dass darauf keine Gesichter mehr zu erkennen waren. Johnsen war kein spiritueller Mensch, doch wenn das keinen Wink des Schicksals darstellte, was dann? Er hatte Ritter, der erbärmlich nach Angstschweiß und billigem Fusel stank, erst einmal unter die Dusche geschickt. Anschließend hatte Ritter auf dem Sofa geschlafen wie ein Stein. Johnsen war das nur recht gewesen. Er hatte noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken gebraucht. Damit sein getroffener Entschluss sich festigen konnte, bis er letztlich unumstößlich wurde. Schließlich war Johnsen nach oben ins Schlafzimmer gegangen, um eine kleine Kiste unter dem Bett hervorzuholen. Außen war sie staubig, denn er hatte sie lange nicht mehr in der Hand gehabt. Nicht, seit seine Ex ihm gebeichtet hatte, dass sie plötzlich zur Lesbe geworden war. Damals hatte er auch einen ganzen Tag lang finsteren Gedanken nachgehangen. Dann war ihm klar geworden, dass die Alte es schlicht und ergreifend nicht wert war. Sollte sie ruhig gehen. Sie würde ja sehen, was sie davon hatte. Heute lag der Fall anders. Die Frau, um die sein gesamtes Denken kreiste, würde nicht von alleine verschwinden. Für sie lohnte es sich, die Makarow, die er zu Sowjetzeiten einem Russen in Riga abgekauft hatte, aus ihrem langen Winterschlaf zu holen. Die Waffe war noch ausgezeichnet in Schuss. Sie glänzte sogar in ihrem Futteral, als hätte er sie gestern erst zum letzten Mal gereinigt und poliert. Auf manche Dinge war eben doch Verlass.
Er plante keinen Mord. Was er vorhatte, war streng genommen Notwehr. Er war sogar bereit, ihr eine Galgenfrist zu geben. Er wollte aus ihrem eigenen Mund hören, dass sie die anderen alle umgebracht hatte. Er empfand bereits jetzt eine tiefe Befriedigung, wenn er sich vorstellte, wie er sie endgültig aus seinem Leben verjagte. Ein Außenstehenderhätte sein Vorhaben bestimmt verrückt genannt. Aber sie war hier die Irre, nicht er. Was war damals schon passiert? Nichts. Nichts Ernstes jedenfalls. Nichts, was es gerechtfertigt hätte, zur Mörderin zu werden.
Er sah aus dem Fenster. Die Nacht brach an und hüllte die Welt in ihre
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