Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Leichtes, eine Assoziation abzurufen, die sich auch in ihrem Artikel ausgezeichnet machen würde: Wer zum ersten Mal in die Warteeines AKWs kam, fühlte sich wie Captain Kirk, wenn er aus dem Turbolift auf die Brücke des Raumschiffs Enterprise trat. Zugegebenermaßen war es aus Sicherheitsgründen gar nicht die echte Warte, die Bernd und Katja zu Gesicht bekamen. Es handelte sich lediglich um einen originalgetreuen Nachbau in einem Nebengebäude, mit dem man alle Vorgänge im Kraftwerk simulieren konnte. Irgendwo mussten die Menschen, deren Aufgabe es später sein sollte, die Abläufe im Reaktor und in den Turbinen zu überwachen, ja auch ausgebildet werden. Aber welcher Leser würde den Unterschied schon erkennen?
Nachdem sie die Werkskluft wieder gegen ihre zivile Kleidung ausgetauscht hatten, endete die Führung in der Kantine, was eine strategisch kluge Entscheidung war: Die trockene Luft in der Anlage sorgte rasch für eine trockene Kehle.
Ein Schichtwechsel stand an, und es herrschte entsprechend reges Treiben. Vor den Getränkeautomaten hatten sich kleine Schlangen gebildet. Katja hatte ihr Glas gerade unter den Zapfhahn mit der Apfelsaftschorle gestellt, als sich eine krächzende Stimme über das allgemeine Gemurmel erhob.
»Hey, Simovic! Weiß deine Frau eigentlich, was du hier so für schicke Mädels spazieren führst?«
Simovic fuhr auf dem Absatz zu einem Tisch ganz in der Nähe herum. »Verdammt, Ritter! Behalt deine schmutzigen Fantasien für dich!« Er wandte sich zerknirscht an Katja. »Tut mir schrecklich leid, Frau Jakobs, aber dieser Kerl hat ein Benehmen wie eine offene Hose.«
»Macht nichts.« Ein dicker Strahl Flüssigkeit zischte in Katjas Glas und produzierte viel zu viel Schaum. »Ist ja nicht Ihre Schuld.«
»Du musst es schräg halten«, gab ihr Bernd einen seiner typischen überflüssigen Ratschläge. »Das dauert sonst Stunden.«
Sie sollte nicht dazu kommen, ihm eine Retourkutsche zu erteilen.
15
»Frau Jakobs?« Der Mann, der Katja ansprach, hatte eines jener kantigen Gesichter, die im Alter oft an Anziehungskraft gewannen. Mit seiner markanten Nase und den feinen Lachfältchen um die Augen erinnerte er sie an einen entfernten Verwandten von Liam Neeson, der sich einen sauber gestutzten Bart hatte stehen lassen. »Entschuldigen Sie bitte meine Aufdringlichkeit.«
Katja reichte ihr halb mit Schaum gefülltes Glas an Bernd weiter, damit sie dem Fremden die Hand schütteln konnte. »Katja Jakobs, hallo. Und Sie sind?«
»Horst Johnsen. Ich bin … ich war ein Kollege Ihres Onkels. Mein Beileid.« Er lächelte. »Sie haben seine Körperhaltung, wissen Sie? Dieser leichte Buckel.«
Katja straffte die Schultern. »Oh, wirklich?«
»Das war nicht sehr nett von mir.«
»Ach was.« Ihr fiel ein, wo sie seinen Namen heute Morgen erst gehört hatte. »Sie sind der Schwager von Erika Saalfeld, oder?«
Er hob eine Augenbraue. »Sie sind bestens informiert.«
»Sie hat Sie beiläufig erwähnt.«
»Natürlich hat Sie das.« Er schüttelte den Kopf und drehte sich halb zur Seite, um zu einem der Kantinentische zu zeigen. »Möchten Sie sich nicht zu uns setzen? Wir haben gerade über Ihren Onkel gesprochen.«
»Warum nicht?«
»Das geht doch in Ordnung?«, fragte Johnsen bei Simovic nach.
»Sicher.« Simovic zog seine Krawatte gerade. »Wir waren so weit durch die Anlage durch.«
»Na dann …«
Während Bernd noch am Getränkeautomaten zurückblieb, führte Johnsen Katja zu seinem Tisch. Als er sie dendrei Männern vorstellte, die dort beisammensaßen, schaute Katja in überwiegend betretene Mienen. Nur einer – ein grauhaariger Typ mit der rot geäderten Knollennasse eines leidenschaftlichen Trinkers – entblößte in einem breiten Grinsen seine langen Pferdezähne. »Mir war gar nicht klar, was für eine reizende Verwandtschaft der alte Knurrhahn hatte.«
Katja erkannte die krächzende Stimme sofort wieder. Das musste Ritter sein – so hatte Simovic ihn doch eben genannt, oder nicht? Ritter zählte anscheinend zu jener leider weitverbreiteten Sorte Mann in den sogenannten besten Jahren, die dazu neigten, jeder jüngeren Frau, die ihnen begegnete, plumpe Avancen zu machen.
»Reiß dich zusammen, ja?«, blaffte Johnsen.
»Stell dich nicht so an.« Ritter schwoll die Brust unter seinem zerknitterten Karohemd. »Frieder hätte doch auch gewollt, dass ich meine gute Laune behalte. Ich bin nun einmal eine Frohnatur. Was kann ich dafür, dass ihr alle so ernst sein
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