Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Frauenstimme zu einem sprach, dazu angehalten, das Prozedere nach einer Drehung um hundertachtzig Grad mit der linken Hand zu wiederholen. Katja wusste nicht genau, warum sie überhaupt erleichtert aufatmete, als ihr die Maschine danach versicherte: »Keine Kontamination.«
Auf ihrem weiteren Weg durch das Kraftwerk prasselten so viele Eindrücke auf sie ein, dass ihre Wahrnehmung nur noch an Details haften blieb.
Nach dem Passieren eines Drehkreuzes untersuchte eine Frau von einem Wachdienst Katja mit einem piependen Metalldetektor auf eingeschmuggelte Waffen hin. Als wäre sie eine Terroristin, die den spektakulärsten Anschlag aller Zeiten plante.
In einer Umkleidekabine streifte sie einen weißen Overall und weiße Handschuhe über, setzte einen Helm in warnendemOrange auf und schlüpfte in klobige Sicherheitsschuhe – alles vom AKW gestellt. Sie fühlte sich wie eine Statistin in einem James-Bond-Film, die eine der Scherginnen im Hauptquartier des Superschurken zu mimen hatte.
In einer drei Stockwerke hohen Halle musste sie über kurze Leitern klettern, um direkt neben die von blau gestrichenem Stahl ummantelten Turbinen zu gelangen. Wie eine besonders futuristische Alice, die durch das Kaninchenloch in ein hochtechnisiertes Wunderland gefallen war.
Eine sargdicke Stahltür, die bei einem Störfall den Zugang zum Reaktorgebäude abriegelte, wurde von einem Elektromagneten offen gehalten. Hier kam Katja sich vor, als gehörte sie zur Besatzung eines Bunkers, in dem ausgewählte Militärs den Dritten Weltkrieg führen und überleben sollten.
Die beiden Schotts vor dem Reaktorbehälter, die aussahen wie Deckel für alte Dampfkochtöpfe, erweckten in ihr den Eindruck, sie wäre an Bord eines U-Boots geraten, unterwegs auf geheimer, todbringender Mission irgendwo unter der Eiskappe des Nordpols.
Als sie dann auf Gitterplatten direkt unter dem Reaktorbehälter standen – also genau dort, wo sich in Fukushima die Kernschmelze ihren Weg ins Freie gebahnt hatte –, war sie der festen Überzeugung, dass jeden Moment Warnsirenen aufheulen würden, weil sich die Katastrophe hier nun wiederholte.
Die Rettungsringe am Geländer des Abklingbeckens mit seinem klaren, blau schimmernden Wasser drängten ihr Bilder von verlassenen Schwimmbädern und Kreuzfahrtschiffen direkt vor der Ausmusterung auf.
Und über all dem schwebte in Katjas Denken und Fühlen die nach und nach immer beklemmendere Erkenntnis, dass sie im Grunde eine Geisterjägerin war. Durch all diese vielen Treppenhäuser, Gänge, Kammern und Hallen war vor ihr jahrzehntelang ihr Onkel gewandelt. Tagaus, tagein. Sie folgte einem Phantom, das nur noch in der Erinnerung derMenschen existierte, die es zu Lebzeiten gekannt hatten. Für alle anderen war es vollkommen unsichtbar geworden. Katja hätte sich kaum gewundert, wenn auf einigen der Aufnahmen, die Bernd beim Rundgang durch das Kraftwerk machte, ein durchscheinender Lichtfleck von grob menschlicher Gestalt zu sehen gewesen wäre.
Bernd schien Katjas Befangenheiten im Übrigen nicht einmal ansatzweise zu teilen. Er knipste, wo und wann Simovic es ihm gestattete, und machte eine interessierte Miene, während ihr Führer über ausgeblasene Zündfunken, unterschiedliche Wirkungsgrade oder Pumpkreisläufe referierte. Manchmal stellte er sogar selbst die eine oder andere Frage, wenn Simovics Ausführungen nicht alle seine Wissenslücken stopfen konnten. Entweder er war ein verdammt guter Schauspieler, oder es war ihm bisher irgendwie gelungen, sein Faible für technische Details, die sich nicht gerade auf Kameras und Fotografie bezogen, geschickt vor Katja zu verheimlichen.
Jedenfalls hatte Bernd ein sicheres Gespür dafür, wann es galt, den Finger erst gar nicht mehr vom Auslöser zu nehmen: in der Warte des AKWs. Ein gutes Begleitfoto zu einer gelungenen Reportage zeigte nicht notwendigerweise etwas, das die Leser noch nie gesehen hatten. Man brauchte auch Aufnahmen, die die bei den Leuten bereits vorhandenen Erwartungen zu einem Thema erfüllten. Und die Warte bot exakt ein solches Motiv: drei in einem augenfreundlichen Beige gehaltene Wände voller Leuchtdioden, Skalen und Anzeigen, Bildschirmen und Modellzeichnungen. Davor zogen sich meterlange Pulte mit unzähligen Kontroll-, Steuer- und Überwachungseinheiten hin. Verbunden mit der Tatsache, dass die Schreibtische für den Schichtleiter und seinen Stellvertreter auf einem erhöhten Podest im hinteren Teil des Raumes standen, war es Katjas Hirn ein
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