Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
müsst?«
»Trink dein Bier.« Der ungeschlachte Mann neben ihm knallte den Salzstreuer, mit dem er bis eben noch gespielt hatte und der in seinen blond behaarten Pranken wie ein Utensil aus einer Puppenküche wirkte, laut auf die Tischplatte.
Ritter murmelte etwas Unverständliches, ehe er der Aufforderung folgte.
»Wir wussten, dass Sie kommen würden«, sagte Johnsen, nachdem sie Platz genommen hatten. »Frieder hat sich schon sehr auf Sie gefreut.«
»Hat er?« Katja wurde klar, dass sie womöglich mit den Menschen am Tisch saß, die ihren Onkel zuletzt lebend gesehen hatten. Mit Ausnahme seines Mörders. »Hat er Ihnen auch gesagt, warum ich komme?«
Johnsen nickte. »Sie wollen einen Artikel über die Atmosphäre in der Stadt schreiben, jetzt, da das Werk abgeschaltet wird.«
»Und Sie sehen ja, was hier läuft.« Ritter gestikulierte so wild, dass sein Bierglas überschwappte, doch er bemerkte es offenbar nicht einmal. »Das ist eine echte Sauerei, was mit Ihrem Onkel passiert ist. Eine Riesenschweinerei.«
»Ihre Apfelschorle, Madame.« Bernd servierte Katja ihr Getränk, einen Arm vornehm hinter dem Rücken. »Ich kümmere mich gleich noch um die Gemälde im Roten Salon, wenn ich darf.«
Die AKW-Mitarbeiter blickten einander verständnislos an, aber Katja schmunzelte. Sie ahnte, was Bernd vorhatte. Er würde in wechselnden Abständen um den Tisch herumscharwenzeln, den rechten Zeigefinger auf dem Auslöser der Kamera, die um seinen Hals baumelte. Er nannte diese Taktik gern Blindfeuer. Katja war jedes Mal aufs Neue überrascht, dass dabei meistens etliche brauchbare Aufnahmen heraussprangen.
»Wie gut kannten Sie meinen Onkel?«, fragte Katja in die Runde.
»Schauen Sie, Frau Jakobs.« Johnsen beschrieb mit einem seiner kräftigen Finger einen kleinen Kreis. »Dieses Kraftwerk, das ist zwar im Grunde ein Betrieb wie jeder andere auch, aber – « Er wandte sich an den vierten Mann am Tisch, einen schmächtigen Glatzkopf. »Was rollst du so mit den Augen, Gernot? Siehst du das anders?«
»Nein, nein.« Gernot winkte ab. »Ein Betrieb wie jeder andere auch.« Er senkte den Kopf, um seine linke Handfläche zu studieren, als läge in den Linien die Antwort auf ein schier unlösbares Rätsel verborgen. »Wenn du das sagst, Horst …«
»Ein Betrieb wie jeder andere auch«, wiederholte Johnsen wie auf der Suche nach dem verlorenen roten Faden. »Aber wir sind nicht Beiersdorf oder die BASF oder V W oder so. Hier gibt es nicht Zehntausende von Angestellten. Hier kennt noch jeder jeden. Aber Frieder … war mehr als ein Kollege für mich.« Er strich sich über den Bart. »Friederwar mein Freund. Mein bester Freund sogar. Wir haben uns früher oft eine Kabine geteilt.«
Katja, die mit der Fingerspitze gerade einen Tropfen Kondenswasser vom Rand ihres Glases hatte wischen wollen, erstarrte in der Bewegung. »Sie sind gemeinsam zur See gefahren? Sie und mein Onkel?«
Ihre Überraschung wuchs, als nicht nur Johnsen, sondern alle vier Männer nickten.
»Das ist nichts Ungewöhnliches.« Simovic, der bisher schweigend am Kopfende des Tisches gestanden hatte, schlug den gleichen Tonfall an, in dem er seinen Vortrag zu Beginn der Führung gehalten hatte. »Viele von unseren Technikern und Ingenieuren hier waren früher einmal gemeinsam auf Schiffen im Einsatz. Das hängt unter anderem mit der Größe der Anlagen zusammen, die hier betreut und gewartet werden müssen. Generatoren und Turbinen von den Ausmaßen, wie sie in Kraftwerken betrieben werden, findet man sonst meistens nur an Bord von Schiffen.«
»Danke.« Johnsen sah Katja in die Augen. »Es ist alles vollkommen richtig, was der Herr Kollege da erzählt, aber bei mir und Ihrem Onkel liegt der Fall noch mal anders. Ich kannte ihn schon aus dem Studium in Bremen. Seit über dreißig Jahren.«
»Dreißig Jahre …« Katja konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Onkel einen seiner Kollegen jemals namentlich erwähnt hätte. Andererseits hatte Frieder bis zu seinem letzten Anruf bei ihr nie über seine Arbeit geredet. Vermutlich hatte er es nicht auf einen Streit zwischen ihnen ankommen lassen wollen. Trotzdem war sie überrascht. Ihr dämmerte, wie wenig sie bei genauerer Betrachtung über das Leben ihres Onkels wusste. Johnsen hatte gesagt, Frieder wäre sein bester Freund gewesen, und bis vor ein paar Stunden hatte sie nicht einmal etwas von der Existenz dieses Mannes geahnt. Sie beschloss, darin nichts Trauriges zu sehen. Immerhin, so sagte sich
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